Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
Vom Netzwerk:
– einen zwar weit verzweigten, aber schlecht vorbereiteten »Aufstand« inszeniert. Ludwig sollte angeblich entthront und Bernhard an seine Stelle gesetzt werden. Doch spricht alles dafür, daß es hier um keinen Thronsturz ging, sondern um die Sicherung von Bernhards Teilkönigtum.
    Der Kaiser mobilisierte umfangreiche Truppenverbände, forderte noch von Äbten und Äbtissinnen, »den Kriegsdienst zu leisten«, weil »durch Satans List der König Bernhard sich zur Empörung« anschicke, rückte in Eilmärschen gen Süden und ließ die Alpenpässe nach Italien besetzen. Aber noch bevor die Erhebung recht begann, ja, ohne einen Schwertstreich stellte sich Bernhard mit seinen Getreuen in Chalon-sur-Saône anscheinend freiwillig. Er tat seine Waffe ab und warf sich dem Kaiser zu Füßen. Ähnlich Bernhards nächste Große, die »auch gleich bei dem ersten Verhör aus freien Stücken den ganzen Verlauf der Sache offen darlegten«. Vergeblich. Ludwig ließ sie festnehmen, nach Aachen schaffen und dort im Frühjahr 818 auf der Reichsversammlung, zartfühlender Weise, wie der Reichsannalist wieder meldet, erst nachdem »die vierzigtägige Fastenzeit vorbei war«, zum Tod verurteilen, jedenfalls alle sogenannten Weltlichen, dann zur grausameren Strafe der Blendung »begnadigen«. Sie wurden »bloß des Augenlichts beraubt« – »juristisch einwandfrei« (Boshof).
    Als Henker des »gegen andere stets gütigen Königs«, eines Monarchen, der »immer Milde zu üben pflegte«, »von Natur barmherzigen Sinnes«, waltete Graf Bertmund von Lyon. König Bernhard, von Ludwig früher sein Sohn genannt und selber soeben Vater eines Sohnes mit dem Namen (des Großvaters) Pippin geworden, sah sich, wohl mit Recht, zu schwer bestraft. Er wehrte sich und starb mit leeren Augenhöhlen »trotz der gnädigen Handlungsweise des Kaisers« zwei Tage später, am 17. April 818. Auch sein Kämmerer und Berater Reginhard sowie Reginhar, der Sohn des Grafen Meginhar, dessen Großvater Hadrad 785 die Verschwörung der Thüringer gegen Kaiser Karl angezettelt, wehrte sich und erlag der fürchterlichen Prozedur; beide, weil sie »die Blendung nicht geduldig genug ertrugen« (Anonymi vita Hludowici).
    Die anderen überstanden sie. Und die beteiligten Bischöfe, Äbte und sonstige Priester kamen wie immer viel glimpflicher davon, da sie nur von der Synode, von ihresgleichen, gerichtet wurden und der geistliche Stand – was ja zur Kriminalität geradezu animieren mußte – stets vor dem Schlimmsten schützte; leider nicht die »Laien« vor dem Schlimmsten der Geistlichkeit. Deren Rebellen wurden am 17. April 818 in Klöster gebracht, weitere weltliche Teilnehmer entweder verbannt oder zu Mönchen geschoren, ihre Güter konfisziert. 25
    Seine Grausamkeit, besonders gegen den jungen und freundlichen, von seiner Umgebung verleiteten König Bernhard, wurde dem frommen Ludwig allgemein verdacht. Er aber ließ jetzt, mißtrauisch geworden, sogar seine kleinen Stiefbrüder, die nicht »vollbürtigen« Söhne Karls I., scheren, Drogo nach Luxeuil, Hugo nach Charroux, Theuderich an einen unbekannten Ort stecken, sowohl wider ihren Willen als auch erneut entgegen seinem eidlichen Versprechen, zu seinen Schwestern, Brüdern und allen übrigen Verwandten immer unwandelbar barmherzig zu sein (S. 33). Doch so unterband er einen eventuellen Anspruch auf das Reich, eine Teilhabe an der Regierung. Später söhnte er sich mit den beiden aus und erkaufte sich durch die Vergabe von geistlichen Posten und Pfründen ihre dauernde Treue. Stiefbruder Drogo wurde schon mit 20 Jahren Bischof von Metz, Stiefbruder Hugo Abt des reichen Klosters S. Quentin, Abt auch von S. Omer (Sithiu) und Lobbes; Theuderich scheint früh gestorben zu sein. 26
    Vermutlich trug zu dem brutalen Vorgehen des Kaisers sein einflußreicher Freund Abt Benedikt von Aniane bei. Auffallend jedenfalls: kaum war der Heilige 821 gestorben, so begnadigte Ludwig noch im Herbst auf der Diedenhofener Reichsversammlung die überlebenden Rebellen, ja, die Brüder Adalhard und Wala, die in jahrelanger Verbannung geschmachtet, holte er an den Hof zurück und machte sie zu wichtigen Beratern.
    Im August 822 legte Ludwig auf dem Reichstag von Attigny an der Aisne gar ein öffentliches Schuldbekenntnis ab. Er beklagte sein Verbrechen an dem entsetzlich umgekommenen jungen Neffen Bernhard, beklagte die Hartherzigkeit gegenüber seinen geschorenen kleinen Stiefbrüdern sowie gegenüber Adalhard und Wala, den Vettern

Weitere Kostenlose Bücher