Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
führte Ludwig verheerende Unternehmen gegen die aufständischen Bretonen durch, deren Fürsten manchmal den Königstitel selbst beanspruchten. Mehrmals griff er »das lügenhafte, hochmütige und rebellische« Volk an, das nicht einmal sein Vater ganz niedergerungen hatte, das vor Karl und Pippin schon die Merowinger stets von neuem bezwingen wollten.
Im Sommer 818 rückte er in persona – beinah sein einziger Kriegszug als Kaiser – mit Franken, Burgundern, Alemannen, Sachsen und Thüringern gegen die »ungehorsamen Bretonen, welche soweit in ihrer Frechheit gingen, daß sie einen der Ihrigen, Marmanus, zum König zu ernennen wagten und jeglichen Gehorsam verweigerten« (Anonymus). Die herrischen Christen freilich, die auf die ihnen so fremden Menschen – wie ihr König Morman doch gleichfalls Christen – herabsahen, forderten die »Oberhoheit«, Unterordnung, Zins. Die Versagung der Huldigung, des Tributs (fünfzig Pfund Silber »von altersher«) reichte ihnen gewiß als Kriegsgrund. Doch mochten Ludwig auch klerikale Motive bewegen. Die bretonische Kirche war noch ziemlich selbständig, das heißt mehr durch die schottische, von den benediktinischen Regeln abweichende Kirche bestimmt, dem Einfluß Roms merklich entzogen. Der fränkische Klerus verabscheute vor allem die größere Freiheit des bretonischen Eherechts, die Gestattung der Ehen unter nahen Verwandten.
Schon auf dem Anmarsch wallfahrtete Ludwig in Paris erst wieder von Kirche zu Kirche. Und unterwegs besuchte er Kloster um Kloster, wurde er von den Äbten Hilduin von S. Denis, Durandus von S. Aignan, einem eifrigen Beamten seiner Kanzlei, von Abt Fridugis von S. Martin in Tours u.a., wie das so Brauch war, reich beschenkt. Dann verwüstete er weithin das Land; doch alles, so der Reichsannalist, »ohne große Anstrengung«. Der fromme Herrscher, von dem seinerzeit Bischof Thegan vorsichtig rühmt: »Er nahm von Tag zu Tag zu an heiligen Tugenden, was aber aufzuzählen zu weit führen würde«, erdrückte die Bretonen durch seine Übermacht. Er äscherte sämtliche Gebäude, mit Ausnahme der Kirchen, ein und ließ sich während all der Mordbrennereien von dem Abt Matmonocus von Landevennec ausführlich über das Mönchswesen des Landes unterrichten.
Töten und beten, beten und töten, dann war alles gut, alles, zumindest im Krieg, erlaubt – vorausgesetzt es geschah auf der »rechtgläubigen« Seite. König Morman, der einen Teil des fränkischen Trosses niedergemacht, fiel durch einen Aufseher der kaiserlichen Pferde, Choslus, der ihm den Speer durch die Schläfen rammte, mit dem Schwert dann den Kopf abschlug, bevor er selbst durch einen Bretonen umkam, den wieder der Knappe des Choslus niederstreckte, worauf ihn noch, bereits sterbend, der Bretone abstach: Innenansichten des Krieges, ein Schnappschuß sozusagen vom süßehrenvollen Tod fürs Vaterland ... Eine Menge Gefangene, viel Vieh wurde weggeführt, und die Bretonen unterwarfen sich – »auf welche Bedingungen immer der Kaiser wollte ... Und Geiseln, wen und wieviel er befahl, wurden gestellt und angenommen, und das ganze Land nach seinem Willen eingerichtet«, schreibt der Astronomus. 32
Krieg gegen Abodriten und Basken
819 warf Ludwig ein Heer über die Elbe geben die Abodriten. Man schleppte ihren abtrünnigen Fürsten Sclaomir (809–819) nach Aachen, nahm sein Land und verbannte ihn; wenig später jagte man ihn wieder zurück, aber noch in Sachsen erlag er einer Krankheit, immerhin inzwischen mit dem Sakrament der hl. Taufe versehen; war das Slawenvolk an der Elbe doch durchaus noch heidnisch und Ludwigs Oberhoheit noch 838 und 839 schweren Aufständen ausgesetzt (S. 95).
Auch wider die aufmüpfigen Basken oder die mit ihnen verwandten Waskonen errang der Fürst, ja so oft als friedfertig gepriesen, 819 einen blutigen Sieg.
Seit dem Fiasko von Roncevaux war die Gascogne für die Franken eine Art Niemandsland, vom Grafen von Toulouse nur mühsam überwacht. Ludwig selbst besuchte als Kaiser zwar nie mehr das Land seiner frühen Schlachterfahrung, setzte aber das Grenzgebiet zum islamischen Spanien 816 der verstärkten Kontrolle eines Grafen von Bordeaux und Herzogs der Waskonen aus. Und 819 stellte sein Sohn Pippin durch einen Kriegszug in die Gascogne, im Frühmittelalter ein eigenes Herzogtum, »die Ruhe in dieser Provinz so vollständig her, daß man keinen Empörer oder Ungehorsamen mehr darin fand«; indes der Regent – wie wieder Reichsannalist und Astronomus melden –
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