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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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Leo ...« Herrscht dort doch immer Not wie nirgends. Und hatte ja auch Ludwigs Vater dem »Heiligen Stuhl« schon großzügig massenhaft geraubtes Gut gesandt (IV 488). Denn wie Goethes »Faust« weiß:

    »Die Kirche hat einen guten Magen,
    Hat ganze Länder aufgefressen
    Und doch noch nie sich übergessen ...« 18
Der Kaiser, der Klerus und die Reichseinheit

    Ludwig der Fromme kam überhaupt der Geistlichkeit noch mehr entgegen als der Vater, und die zahlreichen Historiker, die ihn gottergeben, klerushörig, bigott nennen, haben durchaus recht. Schon zu Beginn seiner Regierung erneuerte der junge Monarch »alle Verordnungen, welche zu Zeiten seiner Voreltern für die Kirche Gottes erlassen waren«. Dabei stützte er sich fast ausschließlich auf Geistliche, zumeist »Aquitanier«, Leute, von denen selbst der dem Kaiser wohlgesonnene Bischof Thegan wieder meint, er habe »seinen Ratgebern mehr vertraut als nötig war«. 19
    Mit Ausnahme des Erzkapellans Hildebald von Köln ließ Ludwig keinen der bisher führenden Männer des Staates im Amt; er besetzte so gut wie alle maßgebenden Hofstellen neu, zumal mit Leuten eben, die schon in Aquitanien leitenden Einfluß besessen.
    Darunter war der Priester Helisachar, der seit 808 bereits der aquitanischen Kanzlei vorgestanden und nun in Aachen die Reichskanzlei übernahm, bald generös beschenkt mit der Abtei St-Aubin, dann mit der Abtei St-Riquier und wahrscheinlich auch noch mit dem besonders reichen St-Jumièges samt seinem weit gestreuten Besitz vom Loire- bis zum Schelderaum. Zum Dank dafür ging der Priester und Abt beim Aufstand 930 zu Ludwigs Feinden über. 20
    Der vermutlich wichtigste Berater des Kaisers aber wurde der von ihm hoch verehrte Westgote Witiza, mit dem programmatischen Mönchsnamen Benedikt, ein Sohn des Grafen von Maguelonne, eines gefürchteten Haudegen. Wie denn auch der an den Höfen Pippins III. und Karls I. aufgewachsene Benedikt (Fest: 11. Februar) als guter Christ an den Kriegszügen Pippins – ja gleichfalls ein »guter Christ« und »großer Soldat« (IV 371 ff.) – wie Karls teilgenommen, ehe ihn der tragische Tod seines Bruders in die Mönchskutte trieb. Doch scheiterte er in seiner Asketen-Laufbahn wiederholt. Das Kloster St. Seine bei Dijon verließ er, weil es ihm zu lax erschien. Dann stieß er auf dem väterlichen Erbgut zu Aniane bei Montpellier seine ersten Jünger durch Rigorismus ab. Nun bekannte er sich zu den Mönchsregeln von Pachomius (I 163) und Basilius; denn die Regel Benedikts von Nursia fand er »nur für Schwächlinge und Anfänger« tauglich. Doch als er erneut in eine »Berufungs«-Krise geriet, erhob er – »kompromißlos« (Lexikon für Theologie und Kirche) – eben diese verworfene Regel für »Schwächlinge und Anfänger« zur einzig gültigen Regel klösterlicher Existenz und wurde der »zweite Benedikt«.
    Allzu schwächlich ging es aber unter Benedikt kaum zu. Tadelte seine Mönche ein Vorgesetzter, mußten sie sich zu dessen Füßen legen, bis er ihnen das Aufstehen erlaubte. Und als ein Mönch flüchtete, befahl Benedikt, ihn mit gefesselten Beinen zurückzuschleppen und auszupeitschen. Auch ließ der Heilige in jedem Kloster ein Gefängnis einrichten – und die mittelalterlichen Klosterkerker waren barbarisch, die Vollzugsbedingungen darin »äußerst hart«, da die Haft »in den Auswirkungen einer Leibesstrafe gleichkam« (Schild). Zudem enthielt diese Klosterreform »stets eine gegen menschliche Wissenschaft und Bildung gerichtete Spitze« (Fried). 21
    Abt Benedikt von Aniane, dem Ludwig zuerst im Elsaß das Kloster Maursmünster anvertraute, dann, nächst Aachen, das Kloster Inden (Kornelimünster), eine reich mit Krongut ausgestattete Neugründung, eine Art »Musterkloster« im Gesamtreich, weilte häufiger am Hof als in seinem Kloster, das der Herrscher gleichwohl oft besuchte, was diesem den Beinamen »der Mönch« eintrug. Benedikt, der über alle fränkischen Klöster gebot, blieb bis zu seinem Tod (821) wohl auch der maßgebende Mann am Hof, wo er sich um Kleines, um Bittschriften, Beschwerden ebenso kümmerte wie um Großes und nicht zuletzt den Kaiser bei der 816 begonnenen umfassenden weltlich-kirchlichen Reform beriet.
    Die Reformbewegung des Abts gemäß der Regel des Benedikt von Nursia suchte aus den vielen Völkern des Reiches – und dies entsprach genau der staatlichen Politik – ein einziges Christenvolk, das Christentum überhaupt zur Grundlage des gesamten öffentlichen Lebens zu

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