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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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seines Vaters: ein einmaliger Vorgang in der fränkischen Geschichte, eine vom Klerus ausgehende Erniedrigung des Kaisers, hinter der vielleicht besonders die einst tief gedemütigten Karlsvettern standen. Jedenfalls minderte der von den Prälaten verhängte Bußakt vor allem Volk das Ansehen des Herrschers, während er das der Bischöfe hob, auch wenn sie beiläufig ihre Nachlässigkeit in Lehre wie Amt bekannten »an mehreren Orten, die aufzuzählen nicht gut möglich sei«. 27
    Nein, da ist man diskret.

Die Habgier der Großen und die Habenichtse

    Bei dieser Entwicklung der Dinge verbesserten sich nicht die Zustände im Staat, es trat eine Verschlimmerung ein. Wachsender Egoismus machte sich breit, Unzufriedenheit, Ungehorsam. Die Kriegszüge brachten immer häufiger keinen Erfolg, die Ränke am Hof, die Rechtsbrüche eskalierten, die Ausbeutung durch Bedienstete wuchs, die Bestechlichkeit des Adels, die Brutalität.
    Die fortwährenden Fehden im Innern und Kriege nach außen (S. 45 ff.) hatten zwar die Reichen oft reicher gemacht, die Armen aber blieben arm oder verarmten noch mehr. Sie wurden überdies durch die Habsucht der Magnaten, der Priester weiter geschröpft, belastet, unterjocht. Weltliche wie geistliche Herren diktierten die Preise, schindeten ihre Hörigen, ließen sie hungern. Selbst nach einem Biographen Ludwigs fanden seine Königsboten »eine unzählbare Menge Unterdrückter«, die die Ungerechtigkeit der Beamten um Erbe oder Freiheit gebracht. Die Intrigen der Großen aber, ihre Konkurrenzkämpfe, ihre Sucht, einander zu übervorteilen, sich immer fettere Pfründen zuzuschanzen, die in der Kirche grassierende Korruption, die Simonie, die am schlimmsten in Rom war, all das vermehrte das Elend der Massen noch. Und während viele Mächtige, Reiche der Jagd frönten, dem Spiel, der Trunksucht, Völlerei, während sie der Blutrache nachgingen und allen Arten geschlechtlicher Exzesse, während sie manchmal mit Dieben und Verbrechern unter einer Decke steckten, bestachen, sich bestechen ließen, prügelten sie die von ihnen Abhängigen, fast Rechtlosen, peitschten, verstümmelten, töteten sie. Und während die Bischöfe in Üppigkeit schwelgten, Luxus, in Machtrausch, während auch Priester und Mönche ihre Häuser verließen, Klöster, während sie sich herumtrieben, dem Vergnügen nacheilten, Wuchergeschäften, während sie das Kirchengut verschleuderten, sie soffen, hurten und predigten, daß »die Knechte den Herren von Natur gleich sind«, stießen sie die Masse des Volkes in stets größere Armut, betrogen sie durch falsche Maße, Gewichte, durch blutsaugerische Preise. Nicht wenige der Geschundenen wanderten aus oder rotteten sich zu Banden zusammen.
    Karl Kupisch schreibt in seiner Kirchengeschichte des Mittelalters, daß es auch mit den verschiedenen, von Ludwig dem Frommen begrüßten Anläufen zu einer Kirchenreform »schlecht stand«, denn: »In der Kirche hatten diese Bemühungen wenig Erfolg, weil der hohe Episkopat nach dem Tode Karls des Großen nach Unabhängigkeit und Vermehrung des Reichtums strebte. Aber auch in den Klöstern waren die Erfolge nur gering.«
    Es war eine Zeit, klagt Paschasius Radbertus, der Abt von Corbie und Augenzeuge, die »die Bande der Brüderlichkeit und des Blutes auflöste, überall Feindschaften entstehen ließ, Landsleute trennte, Glaube und Liebe aufhören ließ, selbst den Kirchen Gewalt antat und überall Verderbnis hervorrief ...« Kurz, es war eine christliche Zeit, eine Zeit, wie wir sie im wesentlichen ja auch aus früheren Jahrhunderten kennen. Und, im wesentlichen wieder, doch auch aus allen späteren. Es war eine Zeit, wie der Franke Nithard, einer der wenigen Laienschriftsteller des Frühmittelalters, meldet, in der es mit dem Reich ständig schlechter ging, weil jeder, von seinen bösen Leidenschaften getrieben, nur den eigenen Vorteil suchte. Und letzteres dürfte freilich wieder für viele Zeiten gelten – bis heute.
    Zu den herrschenden Übelständen stießen Naturkatastrophen, schier endlose Regengüsse, Hochwasser, Großbrände – anno 823 wurden allein in Sachsen 23 Dörfer »bei Tage und heiterem Himmel« vom Blitz angezündet. Erdbeben erschütterten die Welt, Seuchen brachen über alle Kreatur herein und verschonten manchmal »kaum ein Stück Landes«. Rauhe, langanhaltende, schneereiche Winter tobten, in denen Mensch und Tier zugrundegingen, mitunter selbst die größten Ströme, Rhein, Donau, Elbe, viele Wochen lang so zugefroren

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