Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Schwerte nieder oder nehmen ihn lebend gefangen ...« (Regino von Prüm).
Erispoë versöhnte sich jedoch durch den Frieden von Angers mit Karl, kommendierte sich diesem als fidelis regis, wurde von ihm aber auch selber als König anerkannt und konnte die Territorialausdehnung seines Landes durch Überlassung der gesamten bretonischen Mark um Nantes und Rennes verdoppeln, 856 auch seine Tochter mit Karls ältestem, damals zehnjährigem Sohn Ludwig (II. dem Stammler) verloben. Die Bretagne war damit vorerst für die Franken verloren.
Erispoë suchte auch die kirchliche Krise zu bereinigen, die seit langem schwelte, seit seinem Vater. Der hatte die frankenfreundlichen Bischöfe von Dol, Vannes, Quimper und Léon mit dem Beistand des hl. Conwoion (der deshalb bis nach Rom reiste) abgesetzt und die Bretagne durch Ernennung ihm höriger Bischöfe auch kirchlich selbständig gemacht. Doch 857 wurde Erispoë von seinem Vetter Salomon ermordet, der nun das Land an sich riß, den jungen Ludwig vertrieb und als König »von Gottes Gnaden«, so titulierte er sich, die höchste Unabhängigkeit der Bretonen erreichte. Notgedrungen haben ihn die Franken 863 anerkannt, 874 aber umgebracht. Auch seine Nachfolger, die beide regierten und einander bekriegten, starben in kurzer Zeit. 24
Und als kaum minder turbulent erwies sich der aquitanische Kampfplatz.
Karl der Kahle liquidiert seine Neffen
In Aquitanien hatte Karl II. gegen seinen Neffen Pippin II. zunächst keinen Erfolg. Zwar gehörte Karl seit der Teilung von Verdun (S. 122 ff.) das Land, doch das Land wollte, zumindest mit seiner Bevölkerungsmehrheit, nicht ihm gehören. So suchte er es »durch zahlreiche Einfälle« heim, erlitt aber oft »große Verluste« (Annales Fuldenses), wie im Juni 844 bei Angoulême gegen Pippin und Wilhelm, den kaum erwachsenen Sohn des Markgrafen Bernhard. Seinerzeit fielen für Karl u.a. sein Onkel und erster Erzkanzler Hugo, ein »natürlicher« Sohn Karls »des Großen«, Abt von St. Quentin und St. Bertin; und ein Enkel des hl. Karl, Abt Richbodo von St. Riquier. Unter den Gefangenen: Karls Erzkapellan, der Bischof Ebroin von Poitiers, Bischof Ragenar von Amiens, Abt Lupus von Ferrières sowie viele Grafen. Karl hatte die Hoheit über fast ganz Aquitanien verloren. 25
Nur eine Heldentat glückte dem König damals. Er ließ den Grafen Bernhard, »der arglos war und nichts Böses von ihm vermutete« (Annales Fuldenses), freilich, so ein anderer Annalist, immer ein »öffentlicher Räuber«, auch der Geliebte von Karls Mutter gewesen sei, heimtückisch in sein Lager locken und gleich töten.
Erst nach einem bescheidenen Erfolg gegen die Aquitanien bedrängenden Normannen ging der Adel, der Pippin mangelnde Verteidigung vorwarf, zum größeren Teil zu Karl über. Und nun konnte sich dieser 848 in Orléans von der geistlichen und weltlichen Aristokratie zum aquitanischen König wählen und – nicht durch den Papst – durch den Erzbischof Wenilo von Sens salben und krönen lassen; ein von Erzbischof Hinkmar übernommenes traditionsbildendes Konzept, da Hinkmar die sakrale Herrscherautorität auf Karl übertrug und die Reimser Kathedrale zur Krönungsstätte der Frankenkönige machte. 26
Karl festigte also im Verein mit der Kirche seine Amtsgewalt durch die Idee des rex christianus, überhaupt durch die stete Sakralisierung dieser Gewalt mittels zeremonieller Weiheakte wie eben Krönung und Salbung. So, um einmal kurz vorauszublicken: bei der Ernennung Karls des Kindes, seines ältesten Sohnes, zum aquitanischen Unterkönig 855; bei der Erhebung seiner Tochter Judith zur englischen Königin anläßlich ihrer Hochzeit 856; bei der eigenen Gattin Irmintrud 866. Ließ er sich ja auch selbst nach seiner Krönung 848 in Orléans zum König von Aquitanien, noch 869 in Metz zum König von Lothringen und 875 in Rom zum Kaiser krönen. Und 859 demonstrierte er bei einem Thronsturzversuch seine Abhängigkeit vom Klerus durch die Erklärung, von niemandem abgesetzt werden zu können als von dem »Spruch und Urteil der Bischöfe, durch deren Mitwirkung ich zum König geweiht wurde; denn sie sind der Thron Gottes, auf dem Er sitzt und von dem Er herab das Urteil spricht. Ihren väterlichen Vorhaltungen und Strafen unterwerfe ich mich allzeit ...« Ein Beweis mehr des stets steigenden Einflusses der Priester auf die Politik.
Selbstverständlich zog auch Karl Nutzen daraus. Denn wie die übrigen Karolinger, förderte er, der gelegentlich, wie in
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