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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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Jahrbücher, »ihm von Gott unterworfen« worden war, wobei König Gostemysl fiel; während die »Annales Bertiniani« lakonisch melden: »König Ludwig verheerte fast das ganze Gebiet der Slaven und unterwarf es seiner Herrschaft.« 851 zog er gegen die Sorben, wobei er sie mehr durch Vernichtung ihrer Felder und Ernten, durch Hunger, als militärisch bezwang. 856 unterjochte er die Daleminzier zwischen Elbe und Mulde. Und noch in seiner Spätzeit, nach 867, schickt er seinen Sohn Ludwig mit Sachsen und Thüringern wieder gegen die Obodriten.
    Es war, so Engelbert Mühlbacher vielsagend, »eine schwierige, aber auch für die Zukunft bedeutungsvolle Aufgabe, die Aufrechthaltung und Erweiterung der Oberhoheit über die Slaven jenseits der Elbe, der Saale und des Böhmerwaldes, die nach und nach, je mehr der deutsche Machteinfluß sich festigte und ausdehnte, auch dem Vordringen deutschen Elementes und der Kultur freie Bahn brach, in den südöstlichen Alpenländern die Weiterführung der Kolonisation, Aufgaben, die zugleich der Tatenlust neue Wege eröffneten und sie aus dem Kreis innerer Unruhen bannten«.

    Klar, worum's ging: um Festigung, Erweiterung, Ausdehnung, um das »Vordringen deutschen Elementes und der Kultur«. Deutlich gesagt: um weiteren mörderischen Raub. Szientifisch (mit Rudolf Schieffer): »Mehr politische (und missionarische) Bewegung«. Klingt nobel, neutral. Tut keinem weh – auf dem Papier. Und nicht zuletzt dämpfte, paralysierte man derart die »Tatenlust« im innerstaatlichen Bereich – im Grunde die Kriminalstrategie der Großmächte doch oft noch heute. (Anachronistisch wieder?)
    Und zu all den Ost-Attacken, die wir später noch genauer betrachten (S. 159 ff.), kam Ludwigs Angriff auf das Westfränkische Reich, auf das Erbe seines Stiefbruders Karl, das nicht nur andauernde Einfälle äußerer Feinde schwächten, sondern auch erhebliche »Wirren« im Innern, Kämpfe zumal in der Bretagne, in Aquitanien. 20

Karl der Kahle und der Westen

    Das Westfrankenreich wird jetzt durch Kriege, durch bürgerkriegsähnliche Zustände und Adelsoppositionen besonders erschüttert. Aus dem Süden, aus Spanien und Afrika, brechen die Sarazenen, aus Skandinavien fallen die Normannen ein. Ihre Züge übers Meer und an den Flußläufen herauf kosten immer mehr Menschenopfer, Geld, Tributzahlungen, Kirchenschätze. Doch blüht das Raub- und Bandenwesen, gegen das Karl das Kapitular von Servais erläßt, auch im Land selbst, wobei klerikale Würdenträger, steinreiche Aristokraten aus Beutegier oft gemeinsame Sache mit den Banditen machen oder diese auch gegen Entgelt für Mordtaten anwerben – fällt es doch zu allen Zeiten schwer, sich die Unterwelt schlimmer vorzustellen als die Etagen darüber. Auch der König ist kein so schlechtes Beispiel dafür. Karl der Kahle, am 13. Juni 823 in Frankfurt am Main aus Ludwigs des Frommen zweiter Ehe geboren, heiratete als Neunzehnjähriger 842 Irmintrud, die Tochter des einige Jahre zuvor gegen Lothar gefallenen Grafen Odo von Orléans; offenbar eine rein politische Partie, weil er so, schreibt Nithard, »den größten Teil des Volkes zu gewinnen hoffte«. »In demselben Jahre«, schließen die »Annales Xantenses« ihre kargen Mitteilungen, »ging in der Stadt Tours die Kaiserin Judith aus der Welt, die Mutter Karls, nachdem ihr Sohn ihr alles Vermögen geraubt hatte«. 21
    Irmintrud gebar Karl, nach einer Tochter Judith, vier Söhne: Ludwig, Karl, Karlmann und Lothar. Die zwei jüngsten zwang der Vater, von Erzbischof Hinkmar dafür gelobt, in den geistlichen Stand. Der gelähmte Lothar starb noch im Knabenalter als Abt von S. Germain d'Auxerre. So blieb ihm das Schicksal Prinz Karlmanns erspart.
    Familienschwierigkeiten löste Karl II. nach Art vieler Potentaten (nicht nur seiner Zeit). Zwar als Tochter Judith nach zwei Ehen an englischen Königshöfen 861 mit dem flandrischen Grafen Balduin I. durchgebrannt und (nach einer päpstlichen Intervention) 863 dessen Frau geworden war, da konnte Karl nur resignieren. Als aber seine Söhne, der von Geburt an lahme Lothar und der durch eine Verletzung geistesgestörte Karl das Kind, 865 und 866 kurz hintereinander starben, versöhnte sich der König zunächst ganz christlich mit seiner Gattin Irmintrud und ließ sie zur Königin salben. Doch ihren Bruder Wilhelm, der sich unmittelbar darauf gegen ihn verschwor, ließ Karl köpfen – Irmintrud ging ins Kloster.
    Karl, gelegentlich durch den Bischof Frechulf von Lisieux

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