Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Altar – »immer stehen die Bischöfe hinter ihrem König und der König hinter seinem Episkopat«. Der hohe Klerus führt politische Verhandlungen, schließt Verträge, sehr viel häufiger als die Grafen. Prälaten wirken als Königsboten, als Gesandte an auswärtige Mächte. Und noch im Krieg ziehn sie mit ganzen Scharen von Hintersassen zum König oder gar in seinem Auftrag »selbst an der Spitze eines Heeres allein oder zusammen mit Grafen zu Felde« (Schur). Anno 845 mußte die Synode von Meaux abgebrochen (und im nächsten Jahr in Paris fortgesetzt) werden, weil man die Bischöfe inzwischen beim Kampf gegen den Bretonenfürsten Nominoë benötigte, der dann im November in Ballon, nahe bei Le Mans, Karl den Kahlen schwer schlug.
Nichts klarer, als daß sich die ständig wachsende Macht des Klerus und sein immer größeres Selbstbewußtsein zumal seit den Tagen Ludwigs des Frommen mit entsprechenden Ansprüchen verbindet. »Mit großem Nachdruck wird Unterordnung und Gehorsam auch der Fürsten den Bischöfen gegenüber gefordert, das Übergreifen von Laien auf das geistliche Gebiet abgelehnt« (Voigt).
Ludwig II., seit 827 mit der jüngeren Schwester der Kaiserin Judith, der zweiten Frau seines Vaters, der Welfin Hemma, verheiratet, hatte anscheinend keinerlei Aufsehen erregende Frauenaffären. Jedenfalls werden seine geschlechtlichen Verhältnisse niemals beanstandet. Desto intensiver aber widmete er sich, ein im christlichen Abendland gewöhnlich über jeden Tadel erhabenes Geschäft, dem Krieg – von der Forschung meist seriös umschrieben, etwa: »seine aktive und zielstrebige Politik im Osten« (Reindel). Die ausgedehnte Nord- und die noch längere Ostgrenze seines Reiches, die über eineinhalbtausend Kilometer von der westlichen Ostsee bis zum Adriatischen Meer sich erstreckten, bis zu den Marken Istrien und Friaul, provozierten fast dazu. Und dies um so mehr, als es, verglichen mit Westfranken oder Italien, einerseits mit der wirtschaftlichen Entwicklung seines Landes nicht so weit her, andererseits mit dessen politisch-militärischer Stabilität sowie der Autorität seines Königs in Kreisen des Adels und der Kirche deutlich besser bestellt war. Nicht unwesentlich trug dazu die geschickte Heiratspolitik Ludwigs bei, der seine Söhne, den ältesten Karlmann, Ludwig den Jüngeren sowie den Jüngsten, Karl III., mit Frauen des fränkischen Hochadels vermählte; Karlmann mit einer Tochter des Grafen Ernst.
Die Ostgrenzen des Reiches, schreibt Johannes Fried, seien »zwar nie völlig befriedet, aber weithin ungefährdet« gewesen, weil es keine kraftvollen politischen Zentren der Slawen gab. Erst mit der Bildung des »Mährischen Großreiches« habe sich dies allmählich geändert, und nicht zuletzt deshalb, weil »die Mission gerade von Bayern aus vorangetrieben wird«. Auch nach Wilhelm Störmer hat Ludwig in den östlichen Grenzzonen anscheinend »sehr entschieden durchgegriffen«, wobei ein »wichtiges Aufbauelement« für ihn »die Kirchen (Bistümer und Abteien)« waren, »die Grundherrschaften vor allem in der Donauzone, dem Aufmarschgebiet der Heere, erhielten. Auch die Slavenmissionierung durch bayerische Kirchen scheint Ludwig sehr geschickt delegiert zu haben.«
Die Slawen aber verteidigten natürlich ihren Glauben. Sie vergalten »Angriffe«, schreibt Gerd Tellenbach, »von denen sie selbst heimgesucht worden waren«. Und die Christen kannten angeblich kein hehreres Ziel, als ihre Frohe Botschaft zu verbreiten mit Feuer und Schwert. »Völlig hemmungslos konnten sich die Franken austoben, wenn sie sich mit Heiden schlugen« (Riché). Womit der erste ostfränkische König allerdings nur an der »Praxis der Vorgänger« festhielt, wie das in der beschönigenden Art zumal deutscher Historiographie heißt, um »durch wiederholte einschüchternde Vorstöße dem Status quo Respekt zu verschaffen« (Schieffer). – Die deutsche Forschung liebt diesbezüglich über Jahrhunderte hin Termini wie »Ostbewegung«, »Landesausbau«, »besitzmäßiges ›Festwachsen‹«. Und selbst wenn sie freiweg von »Angliederung« oder »Einverleibung« spricht, klingt es wie ein fast harmlos-natürliches Hineingleiten in den Reichskörper, es ist schlicht »Verschmelzung«.
Ludwig der Deutsche operierte vor allem im böhmisch-mährischen Raum, führte aber auch gegen die weiter im Norden sitzenden Obodriten und Sorben Krieg: gegen die Obodriten 844, deren Volk, formulieren so edel wie christlich die Fuldaer
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