Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
gegenseitig. Schon 1266 brach in Marseille ein solcher Streit zwischen ihnen aus, daß Clemens IV. eine Art Sicherheitszone zwischen den beiderseitigen Gebieten einführen ließ, einen Mindestabstand von 300 Fuß. Dann kam es in Verona zu so starken Unruhen, daß 1291 Papst Nikolaus IV. einschreiten mußte. Und noch 1479 verbot Sixtus IV. den Inquisitoren beider Orden, über Brüder des andern Ordens zu Gericht zu sitzen.
Gelegentlich wirkten die Herren aber auch als päpstliche Inquisitoren zusammen, wie 1236 im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Flandern, und zwar durchaus fruchtbar. »Sehr viele Ketzer beiderlei Geschlechts«, heißt es dazu in einer alten Quelle, »wurden verbrannt, innerhalb von zwei Monaten ungefähr fünfzig; einige wurden lebendig begraben«. Auch als Bischof Heinrich I. von Breslau 1315 zu Schweidnitz fünfzig »Ketzer« auf einmal ins Feuer werfen ließ, kooperierten beide Orden.
Der eigentliche Begründer der Inquisition, Gregor IX., stand bemerkenswerterweise nicht nur den Dominikanern nahe, war nicht nur mit deren Stifter befreundet, sondern noch inniger mit Franz von Assisi. Ihn kanonisierte er gleichfalls und übertrug dessen Jüngern 1236 gleichfalls die blutige Arbeit, die sie vor allem in der Provence und in Süditalien ausübten. Dabei rühmt man, wie bei so vielen Päpsten, Gregors unerschütterliches »Gottvertrauen«, die »Aufrichtigkeit und Tiefe seiner mystisch gefärbten Frömmigkeit«, nennt ihn aber auch, fast im selben Atemzug, »rücksichtslos in seinem Vorgehen bis zur erschreckenden Härte« (Seppelt). Doch das fügt sich bei den Heiligen Vätern ja in aller Regel schönstens zusammen. 15
8. Kapitel
Kaiser Friedrich II. und Papst Innozenz IV.
»Diese Anordnungen der Kurie wurden einheitlich von Lyon aus getroffen, wo jetzt die Fäden der kirchlichen Welt zusammenliefen, von Papst Innozenz IV. meisterhaft geknüpft. Hier zeigte sich dieser Papst in der Tat als ein Virtuose ... auch er ein Umformer der Energien, der aus allen geistigen Kräften Stoff zu gewinnen wußte und die Spiritualien in Temporalien umzuwandeln verstand: in politische militärische finanzielle Machtmittel. Die Voraussetzung hierfür war freilich eine vollkommen berechnende skrupellose Verwendung aller vorhandenen Gewalten, und sieht man die Kirche nur als eine politische Macht an, die als solche vor ganz neuartige militärischpolitische Aufgaben gestellt war, dann erscheint der Genuese zweifellos als einer der glänzendsten Politiker auf dem päpstlichen Thron. Denn indem er vollkommen unbedenklich mit dem geistlichen Pfunde wucherte, erschloß er für den Augenblick der Kirche wirklich zahllose neue, noch nie angeschöpfte Quellen. Wie sich Papst Innozenz über jedes Bedenken, jedes nur-geistliche Sentiment hinwegsetzte, um sein einziges Ziel: die Vernichtung des Staufers zu erreichen, hat unbedingt etwas Großartiges.«
Ernst H. Kantorowicz 1
»Dem Rex Tyrannus wurde Friedrich II. allerdings von Tag zu Tag ähnlicher. Er sah, während er vor Parma lag, den hellen Aufruhr in seinem italischen Staat, wo von der Kirche aufgepeitscht alles dem Verrat zutrieb. Wie sollte Friedrich dieser gespenstischen unfaßbaren Geister Herr werden! Dank der Tüchtigkeit seiner Söhne und Statthalter blieb er vorerst noch in den Provinzen siegreich, aber immer schwerer waren die Gegner wirklich zu packen. Florentiner Parmenser Ferraresen Mantuaner und andre kämpften sowohl im Kaiserheer wie auf seiten der Guelfen ...«
Ernst H. Kantorowicz 2
Die Flucht nach Lyon
Das Kardinalskollegium, gespalten in kaiserfreundliche und kaiserfeindliche Kardinäle, war nach Gregors Hingang tief zerstritten. Keine Gruppe erreichte die vom Dritten Laterankonzil (1179) in der Dekretale »Licet de vitanda« vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit. Da sperrte der von Gregor geförderte Senator Matteo Rosso Orsini, Mitglied des dritten Ordens der Minoriten, in Rom jetzt faktisch als Diktator herrschend, die Kardinäle unter zermürbenden Begleiterscheinungen in das Septizonium ein, den verfallenen Palast des Kaisers Septimus Severus. Ein Kardinal bekam beim Hereinschleifen den Rücken aufgerissen; ein Kardinal, der Engländer Robert von Somercote, starb nach einem Monat von den Wächtern verhöhnt unter erbärmlichen Umständen; einige der Herren erkrankten ernstlich; alle mußten mancherlei Übles ertragen, auch den Gestank der Exkremente der Wachsoldaten – das erste Konklave der Geschichte.
Nach 60 Tagen aber, am 25. Oktober
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