Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
die jegliche Verdammung erfordert, ein widerwärtiger Akt, eine schreckliche Gemeinheit, in Wahrheit unmenschlich, ja schlimmer noch, jenseits der Grenzen aller Menschlichkeit, wurde uns bekannt, dank der Mitteilungen vertrauenswürdiger Menschen, und rief bei uns tiefe Verwunderung hervor, zwang uns zu zittern vor echtem Entsetzen.« 13
Selbstverständlich ist diese ganze, im wesentlichen durch und durch verlogene Aktion nur mit Billigung des Papstes möglich und wohl oder übel dieser mit einem König einverstanden gewesen, dem er die Papstwürde verdankte.
Mittlerweile hatte Benedikt XI. (1303–1304) regiert, acht Monate bloß, dann starb er an einer akuten Dysenterie, vielleicht aber auch, wie früher weithin vermutet und behauptet, an Gift. Nach fast einjähriger Vakanz jedenfalls voller Debatten und Intrigen der erbittert streitenden Kardinäle folgte mit genauer Zweidrittelmehrheit der Erzbischof von Bordeaux, Bertrand de Got, als Clemens V. (1305–1314), ein Franzose adliger Herkunft; sein Bruder Bérard waltete als Erzbischof von Lyon.
Man hat diese Wahl – wegen des nun beginnenden avignonesischen Exils – »wohl die folgenreichste der ganzen Papstgeschichte« genannt (Gelmi), was übertrieben ist. Denn leider gab es sehr viele und folgenreiche solcher Wahlen bis ins 20. Jahrhundert hinein, wo beispielsweise Achille Ratti, Pius XI., sämtliche faschistische Regime mitbegründet und gefördert hat.
Immerhin, Bertrand de Gots Erwählung war von großer und übler Bedeutung; von übler Vorbedeutung schon für die Zeitgenossen ein Unglücksfall bei der äußerst kostspieligen Krönungsfeier am 14. November 1305 in Lyon. Als nämlich unter dem Andrang der Schaulustigen eine alte Mauer zusammenbrach, wurde der das Papstpferd führende Herzog der Bretagne erschlagen, Clemens selbst, seinen Kopfschmuck verlierend, aus dem Sattel geschleudert und leicht verletzt.
Bertrand de Got war ein Protege des Hofes, ein Geschöpf des Königs. Offenbar von ihm gekauft, hatte er Philipp eine Reihe wichtiger Zusagen gemacht, ihm angeblich sogar den eigenen Bruder und zwei seiner Neffen als Geiseln überlassen. Ganz offen sagte man auch, die schöne Gräfin von Périgord, Brunisende, Tochter des Grafen von Foix, sei seine Geliebte gewesen. Jedenfalls war der neue Pontifex eine höchst labile, leicht beeinflußbare, um nicht zu sagen oft schier haltlose, auch immer wieder Krankheitsanfällen ausgesetzte Person, die zudem irritierende Züge zu Zauberei und Beschwörungswesen zeigte. Als hervorstechende Eigenschaften aber nennt Johannes Haller einen Familiensinn, »der alles übertraf, was man seit Menschengedenken bei Päpsten erlebt hatte, und eine ebenso ungewöhnliche Habgier. Er war gewissenlos, und das nicht nur aus Schwäche: ihm fehlte das Gefühl für Recht und Unrecht. Dante hat ihn mit zwei Worten treffend gekennzeichnet: un pastor senza legge, ein Hirte, der Gesetz und Recht nicht kennt. Das hat seine annähernd neunjährige Regierung immer aufs neue bewiesen.«
Nicht nur für Verwandte, auch für seine Günstlinge beutete der Papst die Kirche rücksichtslos aus.
Greifen wir den Florentiner Bankier Berto de'Frescobaldi heraus. Vier seiner Söhne waren Geistliche, einer davon, Giovanni, Domherr in Florenz und selbstverständlich wohlversehen mit heimischen Pfründen. Er war Kanonikus von Salisbury und Domherr in Chicester, und natürlich auch dort nicht bloß für Gotteslohn. Als ihm aber Clemens noch eine Präbende in Hauteworth gewährte und der Bischof von Salisbury ihre Übertragung versagte, exkommunizierte ihn der Papst kurzerhand, denn gewiß war ihm ein italienischer Bankier wichtiger als ein britischer Prälat. An Pfründen und Anwartschaften belieh Clemens einmal in einem einzigen Jahr das Zwanzigfache dessen, was selbst Papst Bonifaz genehmigt hatte.
Daß ein solcher Mann nicht zuletzt, sondern von Anfang an auch an sich denkt, bedarf keines Wortes, doch vielleicht wieder eines Beispiels. Als Clemens gleich nach seiner Konsekration von Lyon gen Bordeaux zog, plünderten er und Gefolge die unterwegs besuchten Kirchen so gründlich, daß nach ihrem Weggang von Bourges, heißt es, Erzbischof Aegidius, um überhaupt existieren zu können, täglich bei seinen Domherren seine Ration Lebensmittel holen mußte.
Nun war die Kirche nicht arm, hatte sie immer aus der Christenheit herausgeholt, was herauszuholen war. Ehe Clemens etwa den päpstlichen Schatz von Perugia nach Südfrankreich auf die Reise gehen
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