Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
ließ, auf der ihn dann in Lucca Uguccione della Faggiuola raubte, hatte man gewissenhaft Inventur gemacht und ein Verzeichnis der Gegenstände von höchstem Wert aufgestellt, das im Druck 144 große Quartseiten füllte – und war doch nur ein winziger Teil aus einem ungeheueren Gesamtvermögen, das freilich immer wieder ausgegeben werden mußte. Zur Erfüllung hehrster Aufgaben allemal, für die hl. Kirche, für hl. Kriege, die hl. Inquisition, für Kreuzzüge, ob die nun stattfanden oder nicht. Ein Vermögen, das dann auch, war es ausgegeben, wieder hereingebracht werden mußte, auf die allerunterschiedlichste Weise, was oft scharfer Überlegungen, diffizilster Kalkulationen bedurfte. So veranschlagte Clemens für einen von den Johannitern vorbereiteten Kreuzzug in einer Ablaßbulle vom 11. August 1308 u.a.: für 24 Denare am Karfreitag 24 Jahre Ablaß; für 12 Denare an sonstigen Freitagen 12 Jahre Ablaß; für 6 Denare an den übrigen Tagen 6 Jahre Ablaß. Gebe aber einer alles auf einmal, so werde der Ablaß der Gabe entsprechen. Ja, die Kirche ließ ihrer nicht spotten. War man großzügig, war es auch sie.
Auch der Papst gab viel, opferte viel, vor allem dem König. Und hing von ihm um so mehr ab, als er seit 1309, seinem Drängen gehorchend, in Avignon residierte, womit er die siebzigjährige »Babylonische Gefangenschaft« der Päpste eröffnet (1309–1377), eine Epoche von großer Verrufenheit, geprägt durch Luxus, Nepotismus, Korruption, durch Anhäufung kaum übersehbarer Schätze und ihrer Verschleuderung. Insbesondere hat Clemens V. an Geldgier und Verwandtenbegünstigung die meisten Päpste vor ihm, auch seinen Vorgänger Bonifaz, weit überboten, Dante ihn geradezu als ärgsten aller Simonisten gebrandmarkt. Nicht genug, ein englischer Benediktiner fragte sich ganz offen, »ob es nicht besser wäre, gar keinen Papst, statt eines so nutzlosen und lästigen zu haben«.
Dem König fügte sich Clemens immer wieder. Als er, noch im Jahr seiner Papstwahl, zehn Kardinäle berief, waren darunter neun Franzosen (und vier seiner Neffen)! Insgesamt aber machte er fünf Verwandte zu Kardinälen, viele andere zu Bischöfen. Auch im Kirchenstaat wies er seinen Vettern und Neffen einträgliche Ämter zu, für die jene lediglich das Geld einstrichen, ohne sich weiter blicken zu lassen.
Immer wieder kam er dem wachsam-berechnenden, insistierenden, ihm weit überlegenen Regenten entgegen, auch beim Templerprozeß. Zwar zweimal enthob er die gegen die Ritter vorgehenden Inquisitoren aller Befugnisse, aber zweimal gab er Philipp auch wieder nach und ließ die Blutrichter erneut prozessieren.
Die Bezichtigungen reichten vom Glaubensabfall und Götzendienst bis zu obszönen Riten, zu Sodomie. Das Volk von Paris, denkschwach wie allerwärts die Massen, putschten noch am Tag der Templerarretierung Mönche in den königlichen Gärten auf, und in den Prozessen wurde all dies detailliert von Zeugen ausgebreitet und die Selbstbezichtigung der Opfer protokolliert. Allerdings hatte der Staatssiegelbewahrer, der Bischof von Auxerre, ein durchaus königstreuer Mann, angesichts der Ungeheuerlichkeit des Vorgangs sich strikt widersetzt, den Befehl zu besiegeln, und nach neuntägigem Kampf sein Amt niedergelegt. 14
Ein Abgrund an fingierter Verworfenheit wurde sichtbar, eine Brutstätte der Blasphemie und abscheulichster Laster. Die lateinische Anklageschrift umfaßt nicht weniger als 127 Artikel. Man zieh darin die Templer, sie glaubten nicht an Gott, sie träten auf das Kreuz »und spuckten in Sein mildes Antlitz«. Statt ihn beteten sie einen Götzen an, »eine alte, einbalsamierte Menschenhaut in einem glänzenden Tuch« mit »Karfunkelaugen, die leuchteten wie die Helle des Himmels«. Dieser Abgott trug »den halben Bart im Gesicht und die andere Hälfte am Hintern«. Gesalbt wurde das Idol mit Fett, das man vom Kind eines Templers und einer Jungfrau genommen, dann im Feuer gekocht und gebraten hatte. Auch soll jeder dem Teufelskult besonders verfallene Ritter nach seinem Tod verbrannt und die Asche von neuen Templern gegessen worden sein – »und um so fester hielten diese an ihrem Glauben und ihrem Götzendienst, und ganz und gar verachteten sie den wahren Leib unseres Herrn Jesus Christus«. Dazu kamen weitere Anklagen, des Hochverrats etwa oder der Homosexualität. Sie war schon, hieß es, bei der Ordensaufnahme, bei der man – das angebliche Templergeheimnis (factum Templariorum) – auch das Kreuzbespucken, das
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