Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt
Musikant von sich gegeben hatte, bevor er sein Leben im Mundstück seiner Posaune aushauchte.
Das Mundstück?
Ich betrachtete verwundert seine Posaune. Die linke Hand hielt sich noch verkrampft an seinem Instrument fest, während die Rechte, die im Posaunistendasein als Zugführer dient, sich vom Messingrohr gelöst und dafür an die Brust geworfen hatte. Die Finger krallten sich um den linken Hosenträger, und in dieser seltsamen Stellung auf den Stuhl zurückgesunken, hatte sich Langfried Schieber mit dem Oberkörper auf das Notenpult gelegt und war verschieden. Doch das Mundstück auf seiner Posaune fehlte! Wie sollte er aber so geblasen haben? Außer mir schien das jedoch noch niemand bemerkt zu haben. Ich beschloss, der Sache nachzugehen.
Da beim letzten Ton alle Luft und Lebensfreude aus dem Posaunisten gewichen war, würde der Gerichtsmediziner nichts weiter als den Tod attestieren, eingetreten offensichtlich durch plötzliches Ableben verursacht durch den kleinen Pfeil, dessen Spitze sicher mit einem noch nachzuweisenden Gift versehen war. Zu diesem Zweck wanderte der Pfeil aus dem Stiernacken des Ermordeten in die plastikbehandschuhten Finger eines Kriminaltechnikers und von dort in einem verschließbaren durchsichtigen Beutel direkt in das Labor.
Wie aber, so fragte ich mich, war der Pfeil – mit oder ohne Gift – während des Konzerts unbemerkt in den Nacken des Langfried Schieber gelangt? Die Lösung musste hier am Tatort zu finden sein. Mit der Routine des langjährigen Laienschauspielers, dessen Heimat an manchem Abend die Lustspielbühne von St. Agath-Christi am Stein war, inspizierte ich den Backstagebereich 4 .
Der schwere schwarze Vorhang war als Bühnenhintergrund im Rücken der Musikanten zugezogen worden. Keine Chance, von dort nach vorn auf die Bühne zu sehen. Der Stoff war zwar in die Jahre gekommen und an manchen Stellen porös und löchrig wie eine Scheibe Appenzeller Käse, und es war durchaus denkbar, durch eines der Löcher ein Blasrohr zu stecken und einen Pfeil abzuschießen, aber wie zielen?
Mein Blick wanderte am Vorhang entlang nach oben.
Da! Ein schmaler Laufsteg hoch über mir, direkt unter der Decke. Ein Metallgitter, nur etwa 30 Zentimeter breit, führte dort oben zwischen den Lichtleisten hindurch. Der Haustechniker oder Beleuchter konnte so bequem die Blenden der Lampen einstellen oder kaputte Leuchtmittel auswechseln. Aber konnte man von dort auf die Bühne schießen? Ich musste es herausfinden.
Eine kurvenreiche Wendeltreppe führte mich in einer engen Spirale nach oben. Meine Beine zitterten, und ich versuchte, das Schwindelgefühl in mir zu unterdrücken. Vorsichtig balancierte ich über den Steg in die Richtung, wo geschätzte fünf Meter unter mir der Posaunist saß. Fast stolperte ich dabei über eine Klarinette, die auf dem Gitterboden lag. Der Schussapparat?
Ich startete hier oben das Experiment: Ich hielt die Klarinette, deren Mundstück fehlte, wie ein Blasrohr schräg nach unten, ungefähr im selben Winkel, in dem ein Klarinettist sein schwarz verkohltes Instrument hält, rotzte etwas Spucke aus der Kehle, zielte kurz und spuckte hindurch.
Treffer!
Der Kriminalhauptkommissar, der sich neben dem Stuhl des Toten positioniert hatte, fuhr sich mit der rechten Hand ins Genick. Seine Finger fühlten den feuchten Schleim, er wirbelte herum und starrte den hinter ihm stehenden, kleinwüchsigen, offensichtlich rangniedrigeren und ahnungslosen Beamten an und wischte die schlonzigen Finger an dessen Hemdsoberarmärmel ab.
Was er dabei blaffte, verstand ich in meinem luftigen Versteck leider nicht. Ich nahm die Klarinette mit und kletterte nach unten. Den Beweis, dass der Schuss von dort oben möglich war, hatte ich erbracht, das Experiment war geglückt.
Dennoch konnte es auch anders gewesen sein. Ich untersuchte noch einmal den Vorhang. Irgendetwas störte mich. War es auf der Bühne? Im Saal? Ich versetzte mich zurück in das Konzert.
Die Musiker saßen noch immer auf der Bühne herum und wurden einzeln befragt. Das sparsame Licht erfasste betroffene Mienen. Die Schlangen im Saal waren noch nicht kleiner geworden. Hier war alles hell erleuchtet. Genau! Das war es, was mich störte! Die Lichtverhältnisse waren total andere als zur Tatzeit. Der Haustechniker stand tatenlos und etwas gelangweilt am Bühnenabgang.
Ich gedachte, ihm eine wichtige Aufgabe zu übertragen, trat auf ihn zu, baute mich vor ihm auf und gab meiner Stimme den Klang von John Wayne in
Weitere Kostenlose Bücher