Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt
Lebensjahr, und meine Liebe zu Tieren aller Art (vor allem verstehe ich etwas von Terrarien und Vogelstimmen) hatte mich nicht nur in jugendlichen Jahren zum Spezialisten für schwäbisch-alemannische Spinatwachteln und Rückzüchter einer ausgestorbenen Amphibienart (der siamesischen Rüsselkröte) gemacht, sondern auch das Glück der Erde auf dem Rücken von transsibirischen Zwergponys finden lassen.
Allerdings stellte ich mir die Sache einfacher vor, als sie war: Mein Dienst bei der Polizei war nur von kurzer Dauer, ich kam beim Polizeimusikkorps als Flötist – wie leider auch sonst einige Mal in meinem Leben – nicht über das Vorspiel hinaus.
Die Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei quittierte ich nach drei Tagen Dienst ohne Pferd im Gelände, kopierte den Dienstausweis des Hauptkommissars und kam das erste Mal mit dem Gesetz in Konflikt, als ich mich bei der Anmeldung meiner Privatdetektei als Kommissar ausgab und entsprechende Visitenkarten auf Umwegen im örtlichen Polizeipräsidium landeten. Aua!
Dann kam mir die rettende Idee: Ein Pseudonym, so wurde mir beim Patentamt und bei der Bundesagentur für Datenschutz versichert, konnte niemand verbieten. Also kreierte ich aus meinem Traumberuf Kommissar und meinem Namen ein Pseudonym. Und so steht es bis heute – in Anführungszeichen – auf meiner Visitenkarte:
»Kommissar Zufall«
Rainer Tsuval.
Ihr Spezialist für ungelöste Fälle aller Art.
Ermittlungen nach Maß und Auftrag.
Diskret, erfolgreich, undercover.
Die meisten meiner Kunden, denen ich mich so vorstelle, nehmen sofort Haltung an und denken nur: Wow! Der berühmte Kommissar Zufall! – und schon habe ich den Auftrag … meistens.
An jenem trüben Oktoberabend des Jahres 2012 im wilden Süden unserer Republik, als der Posaunist Langfried Schieber beim zweiten Zug auf ›eins-und‹ (es war so genannter Nachschlag 1 zu spielen) im dritten Takt des Trios der Schorle-Polka seinen allerletzten Zug tat – so wurde die Aussage seiner Registerkollegen von den Beamten der Kriminalpolizei zu Papier gebracht – kam ich durch meine zufällige Präsenz vor Ort zu meinem neuen Fall:
Als nämlich der langweilige Ansager von Pepe Plasmas Blasmusik stammelnd die Bühne betrat und von einem ›kleinen, unangenehmen Zwischenfall‹ stotterte, kam im Saal eine Stimmung auf, die die Kapelle während ihres ganzen Konzerts bislang nicht ein einziges Mal erzeugt hatte.
Natürlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es sich um einen Mord handelte. Trotzdem war ich intuitiv und durch die jahrelange Erfahrung, die ich inzwischen mein Eigen nennen kann, davon ausgegangen, dass der Musikant nicht so plötzlich eines natürlichen Todes gestorben war.
Um Panik zu vermeiden, beschloss ich daher, das Hungergefühl, das jetzt so kurz vor der Konzertpause in mir keimte, zu unterdrücken, nach vorn auf die Bühne zu eilen und mein Inkognito zu lüften. Dies war einfacher gesagt als getan. Ich hatte die Wahl, mich entweder in meiner Reihe nach rechts oder links an lang ausgestreckten Beinen oder überhängenden Bierbäuchen vorbeizukämpfen oder den kürzeren, aber akrobatischeren Weg über die beiden Rotten 2 vor mir zu wagen.
Mein Entschluss unterlag einer gewissen Eile, da sich im Publikum schon die ersten Verdächtigen aus den hinteren Rotten aufmachten, den Saal zu verlassen, was unter den gegebenen Umständen keinesfalls zuzulassen war. Also stieg ich meinem Vordermann, sehr zu dessen Missfallen, über die Rückenlehne seines Sitzes auf die Oberschenkel, hielt mich krampfhaft an seiner Schulter fest und tastete mich zum Kopf des vor ihm Sitzenden weiter.
Da das Licht im Saal noch gedimmt war, gewahrte ich zu spät, dass ich auf das zu einem vogelnestartigen Haarhelm gestylten Frisurmonster einer älteren Dame zusteuerte, als meine Finger auch schon im taftgeschwängerten Haupthaar festhingen, ihre spitzen Fingernägel sich kratzend in meinen Unterarm krallten, mich ihr Hintermann im selben Moment kraftvoll von seinen Schenkeln stieß, und ich so ohne jeden Halt, dafür von Schmerz durchbohrt nach vorn stürzte und eingekeilt zwischen gewölbtem Oberbau und abschüssigem Schoßhang bei der Helmfrisierten landete, wo ich abglitt und zum Boden durchrutschte.
Für eine Schrecksekunde war ich wie betäubt, dann bemerkte ich den unförmigen, fellartigen Gegenstand in meiner Hand und stellte entsetzt fest, dass sich ein Toupet in Fußballgröße zwischen meinen Fingern verfangen hatte.
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