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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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einerseits die Türkei abzusichern und andererseits der russischen Bedrohung britischer Interessen im Vorderen Orient ein Ende zu setzen. Bereits im April hatte der Herzog von Newcastle, der kampflustige Kriegsminister, erklärt, die Vertreibung der Russen aus den Fürstentümern, »ohne ihre künftigen Angriffsmittel gegen die Türkei lahmzulegen, ist kein Ziel, das der großen Bemühungen Englands und Frankreichs wert wäre«. 40
    Was aber würde Russland schweren Schaden zufügen? Das Kabinett hatte verschiedene Möglichkeiten erwogen. Es sah wenig Sinn darin, die Russen nach Bessarabien zu verfolgen, wo die alliierten Soldaten der Cholera ausgesetzt wären, und der französische Vorschlag eines Kontinentalkriegs zur Befreiung von Polen würde unweigerlich auf den Widerstand der Österreicher stoßen, selbst wenn (was unwahrscheinlich war) die konservativen Mitglieder des britischen Kabinetts von den Vorzügen eines Revolutionskriegs überzeugt werden konnten. Auch glaubte niemand, dass die Flottenaktion in der Ostsee die Russen in die Knie zwingen würde. Kurz nach dem Beginn der Kampagne im Frühjahr war Charles Napier, der Admiral, der die alliierte Ostseeflotte befehligte, zu dem Schluss gelangt, dass es fast unmöglich sein würde, die Verteidigungsanlagen des Kriegshafens Kronstadt, der St. Petersburg bewachte, oder auch nur die schwächere Festung Sveaborg, knapp außerhalb des Hafens von Helsingfors (Helsinki), zu bezwingen, solange man nicht über neue Kanonenboote und Mörserschiffe verfügte, welche die Untiefen um diese Bollwerke befahren konnten. ****** Eine Zeitlang war davon die Rede, die Russen im Kaukasus anzugreifen. Eine Delegation tscherkessischer Rebellen suchte die Alliierten in Warna auf und versprach, überall im Kaukasus einen muslimischen Kampf gegen die Russen anzuzetteln, falls die Alliierten ihre Heere und Flotten entsandten. Omer Pascha unterstützte diese Idee. 41 Andererseits galt keiner der Pläne als so potenziell schädlich für Russland, wie es der Verlust Sewastopols und der Schwarzmeerflotte gewesen wäre. Zu dem Zeitpunkt, als die Russen aus den Fürstentümern abgezogen waren, war das britische Kabinett zu der Auffassung gelangt, dass eine Invasion auf der Krim die einzige realistische Möglichkeit bot, Russland einen entscheidenden Schlag zu versetzen.
    Der Krim-Plan war ursprünglich im Dezember 1853 vorgebracht worden, als Graham im Zuge der Reaktion auf Sinope eine Flottenstrategie entwickelt hatte, mit der Sewastopol durch einen einzigen raschen Schlag ausgeschaltet werden sollte. »Mein Vorsatz steht fest«, schrieb der Erste Lord der Admiralität. »Der Reißzahn des Bären muss gezogen werden; und bevor seine Flotte und sein Marinearsenal im Schwarzmeer nicht zerstört sind, gibt es weder Schutz für Konstantinopel noch Sicherheit für den Frieden Europas.« 42 Grahams Plan wurde dem Kabinett nie formell vorgelegt, doch dieses akzeptierte ihn als Grundlage seiner Strategie. Am 29. Juni übermittelte der Herzog von Newcastle Raglan die Kabinettsanweisungen für den Überfall auf die Krim. Seine Depesche war eindeutig: Die Expedition müsse so bald wie möglich beginnen, und »nur unüberwindliche Hindernisse« dürften die Belagerung von Sewastopol und die Zerstörung der russischen Schwarzmeerflotte hinauszögern, obwohl auch ein paar Folgeangriffe auf die Russen im Kaukasus notwendig sein könnten. Die Formulierung der Depesche hinterließ bei Raglan den Eindruck, dass es keine Meinungsverschiedenheit im Kabinett und keine Alternative zu einer Invasion der Krim gab. 43 In Wirklichkeit jedoch herrschten sehr wohl konträre Auffassungen über die Zweckmäßigkeit des Krim-Plans, und seine Annahme war ein Kompromiss zwischen den Kabinettsmitgliedern, die sich, wie Aberdeen, einen begrenzteren Feldzug zur Wiederherstellung der türkischen Souveränität wünschten, und denen, wie Palmerston, welche die Krim-Expedition als Gelegenheit für einen größeren Krieg gegen Russland sahen. Mittlerweile verstärkte die britische Presse den Druck auf das Kabinett, einen tödlichen Schlag gegen Russland zu führen, und die Zerstörung der Schwarzmeerflotte in Sewastopol war zu dem symbolischen Sieg geworden, den die kriegslüsterne Öffentlichkeit ersehnte. Es war fast unvorstellbar, von einer Invasion auf der Krim nur deshalb abzulassen, weil sie durch den Rückzug der Russen von der Donau unnötig erschien.
    »Das wichtigste und reale Ziel des Krieges«, räumte Palmerston 1855

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