Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
so, als zögen wir uns von unserem orthodoxen Glauben zurück. Wenn dies der Fall ist, weil wir Misstrauen hegen oder weil wir einem heiligen Krieg den Rücken kehren, dann hat es seit der Gründung Russlands nie einen solch schändlichen Moment in unserer Geschichte gegeben – wir haben Feinde besiegt, nicht jedoch unsere eigene Furcht. Und was nun! … Wir weichen aus Bulgarien zurück, aber was wird aus den armen Bulgaren werden, aus den Kreuzen an den Kirchen Bulgariens? … Russland! Wenn du Gott verlässt, dann wird Gott dich verlassen! Du hast die heilige Mission verleugnet, mit der Er dich betraut hat, damit du den heiligen Glauben verteidigst und deine leidenden Brüder befreist, und nun wird Gottes Zorn dich ereilen, Russland!
Wie viele Slawophile machten auch die Aksakows den »deutschen« Außenminister Nesselrode für die Entscheidung zum Rückzug verantwortlich. Man beschimpfte ihn nun in nationalistischen Kreisen als Verräter Russlands und als »österreichischen Agenten«. Zusammen mit dem Panslawistenführer Pogodin zettelten die Nationalisten in den Salons von St. Petersburg und Moskau eine Kampagne an, durch die der Zar bewogen werden sollte, den Abzug rückgängig zu machen und allein gegen die Österreicher und die Westmächte zu kämpfen. Sie frohlockten im Grunde darüber, dass Russland ohne fremde Hilfe gegen Europa kämpfen würde, hielten sie doch einen heiligen Krieg zur Befreiung der Slawen von westlichem Einfluss für die Erfüllung der messianischen Rolle Russlands. 33
Während die Russen die Walachei hinter sich ließen, rückten die Österreicher vor, um wieder für Ordnung im Fürstentum zu sorgen. Ein Kontingent von 12 000 Mann unter General Coronini erreichte gar Bukarest, wo es zu einem Zusammenstoß mit den Türken kam, welche die Stadt bereits nach dem Abmarsch der Russen okkupiert hatten. Omer Pascha, der sich zum »Statthalter der wiederbesetzten Fürstentümer« ernannt hatte, war nicht bereit, Bukarest dem österreichischen Befehlshaber zu überlassen. Als ehemaliger Habsburger Untertan, der sich den Türken angeschlossen hatte, konnte er sich schwerlich damit einverstanden erklären, seine mühevoll erkämpften Gebiete einem Höfling wie Coronini zu übergeben, der als Hauslehrer des Kaisers gearbeitet hatte und all das an der Habsburger Welt repräsentierte, was Omer Pascha bei seinem Wechsel zu den Osmanen zurückgewiesen hatte. Die Briten und Franzosen pflichteten dem türkischen Befehlshaber bei. Nachdem die Alliierten so lange versucht hatten, die Österreicher in den Kampf um die Fürstentümer einzubeziehen, betrachteten sie die Habsburger Intervention nun als zweischneidiges Schwert. Sie waren erfreut darüber, dass die Österreicher mitgeholfen hatten, die russische Okkupation zu beenden, doch sie argwöhnten zugleich, dass Wien seinerseits beabsichtigte, die Fürstentümer langfristig zu besetzen – entweder in der Hoffnung, das nach dem Abzug der Russen entstandene Vakuum zu füllen, oder in dem Glauben, seine eigene Lösung des russisch-türkischen Konflikts auf Kosten des Westens realisieren zu können. Ihr Argwohn verstärkte sich, als die Österreicher Omer Paschas Streitkräfte daran hinderten, die Russen nach Bessarabien zu verfolgen (die von Napoleon III . bevorzugte Taktik). Hinzu kam, dass die Habsburger die von den Russen nominierten Hospodaren erneut an die Macht brachten, womit sie offenbar den Zaren besänftigen wollten. Für die Briten und Franzosen lag auf der Hand, dass die Österreicher den Donaufürstentümern weder als Gendarmen des Europäischen Konzerts noch als Verfechter der türkischen Souveränität zu Hilfe gekommen waren, sondern nur zur Verwirklichung ihrer eigenen politischen Motive. 34
Teils, um der österreichischen Bedrohung entgegenzuwirken, und teils, um die Schwarzmeerküste für einen Angriff auf Südrussland und die Krim in ihren Besitz zu bringen, entsandten die Franzosen Ende Juli eine Expeditionsstreitmacht in die Region Dobrudscha im Donaudelta. Die Streitmacht bestand aus irregulären Baschi-Basuks (von den Franzosen als Spahis d’Orient bezeichnet) unter dem Kommando von General Yusuf sowie aus Infanteristen der 1. Division (unter General Canrobert), der 2. Division (unter General Bosquet) und der 3. Division (unter Prinz Napoleon). Yusuf, der 1815 als sechsjähriger Giuseppe Vantini auf Elba von den Berberkorsaren gefangen genommen wurde und im Palast des Beys von Tunis aufgewachsen war, befehligte die von ihm
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