Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Menschikow, der Befehlshaber der russischen Streitkräfte auf der Krim, war überrascht worden. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Alliierten so kurz vor Winterbeginn angreifen würden, und hatte es versäumt, genug Männer für die Verteidigung der Krim zu mobilisieren. Er verfügte über 38 000 Soldaten und 18 000 Seeleute an der Südwestküste sowie 12 000 Mann in Kertsch und Theodosia – weit weniger als die Zahl der Angreifer, auf die sich die verängstigte Bevölkerung der Krim eingestellt hatte. Simferopol besaß nur ein einziges Bataillon. 6
Am 14. September – an diesem Tag waren die Franzosen 1812 in Moskau einmarschiert – , gingen die alliierten Flotten in der Kalamita-Bucht südlich von Jewpatorija vor Anker. Von den Alma-Höhen noch weiter südlich, wo Menschikow seine Hauptmacht postiert hatte, um die Straße nach Sewastopol zu verteidigen, beschrieb Robert Chodasiewicz, der Hauptmann eines Kosakenregiments, das beeindruckende Schauspiel:
Als wir unsere Position auf den Anhöhen erreichten, hatten wir eines der schönsten Bilder vor uns, die es anzusehen mir je beschieden war. Die gesamte alliierte Flotte lag vor den Salzseen südlich von Jewpatorija, und nachts wurden ihre Mastenwälder mit verschiedenfarbenen Laternen beleuchtet. Männer wie Offiziere waren stumm vor Erstaunen über eine so große Zahl von nebeneinander ankernden Schiffen, zumal viele von ihnen das Meer kaum jemals zu Gesicht bekommen hatten. Die Soldaten sagten: »Sehet, der Ungläubige hat noch ein heiliges Moskau auf den Wellen erbaut!«, wobei sie die Schiffsmasten mit den Kirchtürmen jener Stadt verglichen. 7
Die Franzosen gingen als Erste von Bord, und ihre Vorauskommandos schlugen in regelmäßigen Abständen voneinander bunte Zelte am Strand auf, um die unterschiedlichen Landeplätze für die Infanteriedivisionen von Canrobert, General Pierre Bosquet und Prinz Napoleon, dem Cousin des Kaisers, zu markieren. Vor Einbruch des Abends waren alle mit ihren Geschützen an Land. Die Männer hissten die französische Flagge und machten sich auf die Suche nach Feuerholz und Nahrung. Einige kehrten mit Enten und Hühnern zurück und hatten ihre Wasserbehälter in nahegelegenen Höfen mit Wein gefüllt. Paul de Molènes und seine Spahis-Kavallerie verfügten für ihre erste Mahlzeit auf russischem Boden weder über Fleisch noch Brot, »aber wir hatten ein paar Zwiebäcke und eine Flasche Champagner, die wir zur Feier unseres Sieges aufbewahrt hatten«. 8
Die britische Landung war ein Chaos, verglichen mit jener der Franzosen – ein Kontrast, der während des Krimkriegs nur zu vertraut werden sollte. Man hatte keine Pläne für eine friedliche Landung getroffen, sondern vorausgesetzt, dass man sich auf dem Strand vorkämpfen müsse, weshalb die Infanterie bei noch ruhiger See als Erste von Bord ging; zu dem Zeitpunkt, als die Briten versuchten, ihre Kavallerie an Land zu bringen, war Wind aufgekommen, und die Pferde mühten sich in der starken Brandung ab. Saint-Arnaud, der mit seiner Zeitung bequem auf einem Stuhl am Strand saß, beobachtete die Szene mit steigender Frustration, da seine Pläne für einen Überraschungsangriff auf Sewastopol durch die Verzögerung durchkreuzt wurden. »Die Engländer haben die unerfreuliche Angewohnheit, sich stets zu verspäten«, schrieb er dem Kaiser. 9
Es dauerte fünf Tage, bis die britische Infanterie und Kavallerie die Schiffe verlassen hatten. Viele der Männer waren an Cholera erkrankt und mussten von Bord getragen werden. Da man keine Transportmittel für Gepäck und Ausrüstung besaß, wurden Trupps ausgesandt, die auf den Höfen der örtlichen Tataren Wagen und Karren beschlagnahmten. Außer den drei Tagesrationen, die sie in Warna erhalten hatten, hatten die Männer weder Nahrungsmittel noch Wasser, und von den Schiffen wurden keine Zelte und Rucksäcke entladen, so dass die Soldaten ihre ersten Nächte ohne Schutz vor dem heftigen Regen und die folgenden Tage in sengender Hitze verbringen mussten. »Wir nahmen nichts außer unseren Decken und Mänteln mit an Land«, schrieb George Lawson, ein Militärarzt, seinen Angehörigen. »Wir leiden schrecklich unter Wassermangel. Am ersten Tag war es sehr heiß; wir hatten nichts zu trinken außer Wasser aus Pfützen vom Regen der Vornacht; und auch jetzt ist das Wasser so schmutzig, dass du, wenn du es in ein Glas gießt, den Boden nicht sehen kannst.« 10
Endlich, am 19. September, waren die Briten so weit vorbereitet, dass der
Weitere Kostenlose Bücher