Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Vormarsch auf Sewastopol bei Tagesanbruch beginnen konnte. Die Franzosen marschierten rechts, dem Meer am nächsten, und ihre blauen Uniformen hoben sich von den scharlachroten Uniformröcken der Briten ab, während sich die Flotte neben ihnen südwärts bewegte. Sechseinhalb Kilometer breit und knapp fünf Kilometer lang, war die vorrückende Kolonne »emsig und geschäftig«, schrieb Frederick Oliver, Kapellmeister des 20. Regiments, in seinem Tagebuch. Den kompakten Reihen der Soldaten folgte ein riesiger Tross aus »Kavallerie, Geschützen, Munition, Pferden, Jungstieren, Packpferden, Mulis, Dromedarherden, einer Ochsenherde und einer enormen Herde aus Schafen und Ziegen, die alle von Suchtrupps in der Umgebung konfisziert worden waren«. Gegen Mittag löste sich die Kolonne unter der prallen Sonne auf, denn durstige Soldaten blieben zurück oder suchten Wasser in nahen Tatarensiedlungen. Als sie mitten am Nachmittag den Fluss Bulganak, 12 Kilometer von der Kalamita-Bucht entfernt, erreichten, brach die Disziplin völlig zusammen, und die britischen Soldaten warfen sich in den »schlammigen Strom«. 11
An den Hängen, die südlich vom Fluss anstiegen, bot sich den Briten der erste Blick auf die Russen: auf 2000 Kosaken-Kavalleristen, die das Feuer auf einen Kundschaftertrupp von den 13. Leichten Dragonern eröffneten. Der Rest der Leichten Brigade, des Stolzes der britischen Kavallerie, schickte sich an, die Kosaken anzugreifen, die ihnen zahlenmäßig um das Doppelte überlegen waren, doch Raglan erspähte hinter den russischen Reitern eine beachtliche Infanterieeinheit, die von seinen Kavalleriebefehlshabern, Lord Lucan und Lord Cardigan, die sich weiter unten am Hügel befanden, nicht wahrgenommen werden konnte. Raglan ordnete den Rückzug an, und die Leichte Brigade führte seinen Befehl aus, während die Kosaken sie verhöhnten und beschossen, wobei sie mehrere Kavalleristen verwundeten, * bevor sie ihrerseits zurück nach Süden zum Fluss Alma galoppierten, wo die Russen ihre Stellungen auf den Anhöhen bezogen hatten. Der Vorfall war eine Demütigung für die Leichte Brigade, die einer Auseinandersetzung mit den zerlumpt wirkenden Kosaken hatte ausweichen müssen, und das vor den Augen der britischen Infanterie. Diese Männer aus verarmten Familien und aus der Arbeiterklasse reagierten schadenfroh auf die Erniedrigung der elegant gekleideten und bequem auf ihren Pferden sitzenden Kavalleristen. »Geschieht ihnen ganz recht, den albernen, eingebildeten Mistkerlen«, schrieb ein gemeiner Soldat in einem Brief nach Hause. 12
Die Briten übernachteten an den Südhängen des Bulganak, von wo sie die fünf Kilometer entfernten russischen Truppen, die an den Alma-Höhen konzentriert waren, erkennen konnten. Am folgenden Morgen würden sie ins Tal hinuntermarschieren und die Russen angreifen, deren Verteidigungspositionen sich auf der anderen Seite der Alma befanden.
Menschikow hatte beschlossen, die Mehrheit seiner Landstreitkräfte zur Verteidigung der Alma-Höhen aufzubieten, des letzten natürlichen Hindernisses auf dem Weg des Feindes nach Sewastopol, das seine Soldaten seit dem 15. September besetzten, doch seine Sorge vor einer zweiten alliierten Landung bei Kertsch oder Theodosia (eine Sorge, die der Zar teilte) veranlasste ihn, eine große Reserve zurückzuhalten. Mithin warteten 35 000 russische Soldaten mit 100 Geschützen auf den Alma-Höhen – weniger als die 60 000 westlichen Kämpfer, doch mit dem wesentlichen Vorteil der Hügelposition. Die schwersten Geschütze waren auf einer Reihe von Befestigungen oberhalb der Straße nach Sewastopol aufgestellt, die den Fluss drei Kilometer landeinwärts überquerte, doch es gab keine Kanonen auf den Klippen in Richtung Meer, die nach Menschikows Ansicht zu steil waren, als dass der Feind sie hätte erklimmen können. Die Russen hatten es sich bequem gemacht, nachdem sie die Tataren aus dem nahegelegenen Dorf Burljuk vertrieben und es geplündert hatten. Sie schleppten Bettwäsche, Türen, Holzbretter und Äste hinauf auf die Höhen, wo sie provisorische Hütten für sich selbst bauten und sich an Weintrauben aus den verlassenen Höfen gütlich taten. Sie füllten die Häuser mit Heu und Stroh, um sie niederbrennen zu können, wenn der Feind vorrückte. Die russischen Befehlshaber waren zuversichtlich, dass sie ihre Stellungen wenigstens eine Woche lang behaupten konnten – Menschikow hatte dem Zaren schriftlich versprochen, dass er die Anhöhen sechsmal
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