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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Kanoniere in einer Distanz, aus der nur die schwereren französischen Geschütze Wirkung zeitigten. Einige der Zuaven, im Bewusstsein ihres Vorteils und vom Kampf berauscht, tanzten eine Polka auf dem Schlachtfeld, um den Feind zu verhöhnen, weil die russischen Waffen sie nicht erreichen konnten. Unterdessen hämmerten die Kanonen der alliierten Flotte auf die russischen Stellungen an den Felsen ein, was die Moral vieler Soldaten und Offiziere schwächte. Als die erste russische Artilleriebatterie eintraf, stellten die Männer fest, dass sich die Reste des Moskauer Regiments bereits unter dem schweren Feuer der Zuaven zurückzogen, denn deren Minié-Gewehre besaßen eine größere Reichweite und Präzision als die altmodischen Musketen der russischen Infanterie. Der Kommandeur der linken Flanke, Generalleutnant W. I. Kirjakow, war einer der unfähigsten in der zaristischen Armee und selten in einem nüchternen Zustand. Mit einer Flasche Champagner in der Hand, befahl Kirjakow dem Minsker Regiment, auf die Franzosen zu schießen, setzte es jedoch irrtümlich gegen die Kiewer Husaren ein, die unter dem Feuer zurückfielen. Das Minsker Regiment, das kein Vertrauen zu seinem betrunkenen Kommandeur hatte und durch die tödliche Genauigkeit der französischen Gewehre entnervt wurde, wich ebenfalls zurück. 21
    Im Zentrum des Schlachtfelds waren inzwischen die zwei anderen französischen Divisionen, angeführt von Canrobert und Prinz Napoleon, angesichts des schweren russischen Feuers vom direkt gegenüberliegenden Telegrafenhügel nicht in der Lage, die Alma zu überqueren. Prinz Napoleon schickte General de Lacy Evans zu seiner Linken eine Mitteilung, in der er die Briten aufforderte, vorzurücken und den Druck auf die Franzosen zu mindern. Raglan wartete immer noch auf den Erfolg des französischen Angriffs, bevor er britische Soldaten ins Feld schickte, und wies Evans zunächst an, keine Befehle der Franzosen entgegenzunehmen. Schließlich gab er aber Evans’ Forderungen nach und ließ die Infanterie der Leichten sowie der 1. und 2. Division vorrücken, ohne jedoch zu erklären, zu welchem Zweck. Der Befehl war typisch für Raglans Denkweise, die im vergangenen Zeitalter der Napoleonischen Kriege wurzelte, als die Infanterie für primitive Direktangriffe auf vorbereitete Positionen eingesetzt wurde.
    Sobald sich die Männer vom Boden erhoben, steckten die russischen Kosaken-Plänkler, die sich in den Weingärten versteckt hatten, das Dorf Burljuk in Brand, um die Briten aufzuhalten, doch in Wirklichkeit ließen sie so nur eine Rauchwolke aufwirbeln, die den russischen Schützen das Zielen erschwerte. Die Briten rückten in schmalen Reihen vor, um die Leistung ihrer Gewehre zu maximieren; allerdings war es in dieser Formation nicht leicht, die Männer ohne effektive Linienkommandeure auf unebenem Terrain zusammenzuhalten. Die Russen waren verblüfft beim Anblick der dünnen roten Linie, die aus dem Rauch auftauchte. »Es war höchst ungewöhnlich«, erinnerte sich Chodasiewicz. »Wir hatten noch nie Soldaten gesehen, die in zwei Mann tiefen Reihen kämpften. Auch hielten wir es nicht für möglich, Soldaten mit so stabiler Moral zu finden, dass sie unsere massiven Kolonnen in dieser scheinbar schwachen Formation angreifen konnten.«
    Die vorrückenden Reihen lösten sich auf, als sie das brennende Dorf und die Weingärten durchquerten. Ein Windhund, der Hasen jagte, lief um sie herum. Die Briten schoben sich in kleinen Gruppen vor und vertrieben die russischen Plänkler aus dem Dorf und den Weingärten. »Wir eilten weiter und jagten die Plänkler des Feindes vor uns her«, wusste der Gemeine Bloomfield vom Derbyshire Regiment zu berichten. »Einige der Plänkler stiegen sogar auf Bäume, um besser auf uns schießen zu können, doch wir entdeckten sie und holten sie von ihren Ästen herunter. Manche blieben beim Sturz … mit den Füßen oder der Kleidung an einem Teil des Baumes hängen und verharrten dort stundenlang.« In der Nähe des Flusses gerieten die Briten in die Reichweite der russischen Waffen. Männer fielen schweigend um, wenn sie getroffen wurden, doch der Rest der Linie bewegte sich weiter. »Am erstaunlichsten war für mich die Stille, mit welcher der Tod sein Werk tat«, erinnerte sich Generalleutnant Brown von der Leichten Division. »Kein Laut ließ die Ursache erkennen; ein Mann stürzte, rollte auf die Seite oder fiel aus den Reihen in den Staub. Man wusste, dass die kleine Kugel ihr Ziel gefunden

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