Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
eines Matrosen, der in die Luft gejagt worden war, und der Offizier wischte sich das Fleisch vom Gesicht, während er Barjatinski um eine Zigarette bat. Kornilow ignorierte die Warnung seines Stabes vor der Gefahr und setzte seine Runde in der Dritten Bastion, dem Redan, fort, auf den die schweren britischen Geschütze mit tödlicher Schlagkraft einhämmerten. Als Kornilow eintraf, hatte Hauptmann Popandul das Kommando über die Bastion, doch er wurde bald getötet, ebenso wie die fünf anderen Kommandeure, die ihn an jenem Tag folgten. Kornilow durchquerte das Grabensystem und die Schlucht in Reichweite der britischen Geschütze und kletterte zur Malachow-Bastion hinauf, wo er mit verwundeten Soldaten redete. Gerade wollte er den Hügel hinabsteigen, um seine Inspektion in der Uschakow-Schlucht zu beenden, als eine Granate den unteren Teil seines Körpers wegriss. Man brachte Kornilow ins Lazarett, wo er kurz darauf starb. 16
Gegen Mittag schloss sich die alliierte Flotte dem Bombardement an. Ihre schweren Geschütze feuerten vom Eingang des Seehafens, 800 bis 1500 Meter von der Küste entfernt, auf Sewastopol (die Blockade des Hafens durch die versenkten russischen Schiffe hinderte sie daran, ihrem Ziel näher zu kommen). Sechs Stunden lang wurde die Stadt durch eine alliierte Breitseite von 1240 Kanonen beschossen; ihre eigenen Küstenbatterien verfügten nur über 150 Kanonen. »Der Anblick war einer der grässlichsten, was die Geschütze anging«, schrieb Henry James, ein Matrose der Handelsmarine, in seinem Tagebuch, nachdem er das Bombardement aus größerer Entfernung vom Meer her beobachtet hatte. »Mehrere der Linienschiffe hielten eine schwere Kanonade aufrecht, die sich mit einem gewaltigen Trommelwirbel vergleichen ließ … Wir konnten sehen, wie ein Regen von Kanonenkugeln das Wasser am Fuß der Festungen traf und an den Mauern emporflog.« Das Feuer der Flotte erzeugte so viel Rauch, dass die russischen Kanoniere die Schiffe nicht mehr erkennen konnten. Einige verloren die Nerven, doch andere bewiesen außerordentlichen Mut und feuerten auf die Geschützblitze der unsichtbaren Schiffe, während Granaten an ihren Köpfen vorbeidonnerten. Ein Artillerieoffizier der Zehnten Bastion, auf die sich der französische Angriff konzentrierte, berichtete, dass Männer, die nach früheren Kämpfen für ihre Tapferkeit ausgezeichnet worden waren, vor diesem Feuer in panischer Angst flohen. »Auch ich hatte zwiespältige Gefühle«, schrieb er. »Ein Teil von mir wollte nach Hause eilen, um meine Familie zu retten, doch mein Pflichtgefühl befahl mir zu bleiben. Aber meine Gefühle als Mann überwanden die des Soldaten in mir, und ich rannte davon, um meine Familie zu finden.« 17
Trotz all ihrer Geschütze mussten die französischen und britischen Schiffe mehr einstecken, als sie austeilten. Die hölzernen Segelschiffe der alliierten Flotte konnten nicht dicht genug an die Steinforts der Küstenbastionen herankommen, um viel Schaden anzurichten (in dieser Hinsicht hatte die Blockade ihre Funktion erfüllt), aber sie konnten von den weniger zahlreichen russischen Kanonen in Brand gesetzt werden, die (da sie landgestützt waren) viel präziser feuerten als die Alliierten mit ihrer Kanonade aus großer Entfernung. Nachdem die alliierte Flotte rund 50 000 recht wirkungslose Schüsse auf die Küstenbatterien abgegeben hatte, lichtete sie Anker und segelte davon, um ihre Verluste zu zählen: Fünf Schiffe waren schwer beschädigt, dreißig Matrosen getötet und über 500 Mann verwundet worden. Ohne dampfgetriebene Eisenschiffe sollte die alliierte Flotte während der Belagerung von Sewastopol nur eine der Armee untergeordnete Rolle spielen.
Die Ergebnisse des ersten Tages auf dem Land waren nicht viel erfreulicher für die Alliierten. Die Franzosen waren am Mt. Rodolph erst wenig vorangekommen, als eines ihrer Hauptmunitionslager explodierte und sie das Feuer einstellen mussten. Obwohl die Briten der Dritten Bastion erhebliche Schäden zufügten, die für die meisten der 1100 russischen Opfer verantwortlich waren, fehlten ihnen die schweren Mörser, mit denen sie ihre überlegene Feuerkraft besser hätten nutzen können. Ihre viel gepriesene neue Waffe, die 68-Pfund-Lancaster-Kanone, war unzuverlässig und aus großer Entfernung ineffektiv gegen die russischen Erdwälle, welche die leichten Geschosse abfingen. »Ich fürchte, die Lancaster ist untauglich«, meldete Hauptmann Lushington General Airey am folgenden Tag.
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