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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Adams’ Männern in der Batterie:
    Die russische Infanterie kam dicht heran und kletterte über die vordere Mauer und die Seiten, so dass es uns schwerfiel, sie abzuwehren. Sobald wir ihre Köpfe über der Brüstung sahen oder wenn sie in die Schießscharten schauten, feuerten wir so schnell wie möglich auf sie oder stießen mit dem Bajonett nach ihnen. Sie drängten heran wie Ameisen; kaum war einer zurückgeworfen, stieg ein anderer über die Leichen, um seinen Platz einzunehmen. Alle schrien und brüllten. Natürlich waren wir in der Batterie auch nicht still, und wegen des Jubels und Geschreis, des Dröhnens der Schläge, des Klirrens von Bajonetten und Schwertern, des Pfeifens der Kugeln und Granaten, des Nebels und des Geruchs von Pulver und Blut überstieg die Szene in unserer Batterie das, was sich ein Mensch vorstellen oder beschreiben kann. 48
    Am Ende ließen sich die Russen nicht mehr länger abwehren – sie strömten in die Batterie hinein – , und Adams musste sich mit seinen Männern zum Heimatkamm zurückziehen. Doch bald darauf trafen Verstärkungen in Gestalt des Herzogs von Cambridge mit seinen Grenadieren ein, und eine neue Attacke auf die Russen, die um die Sandsack-Batterie gruppiert waren, begann. Die Batterie hatte in diesem Stadium einen symbolischen Wert bekommen, der weit über ihre militärische Bedeutung hinausging. Die Grenadiere stürmten mit ihren Bajonetten auf die Russen zu, wobei Cambridge seinen Männern zurief, sie sollten auf der Anhöhe bleiben und sich nicht zerstreuen, indem sie dem Gegner den Hügel hinab folgten. Wenige Soldaten waren jedoch in der Lage, den Herzog zu hören oder ihn im Nebel zu sehen. Zu den Grenadieren gehörte George Higginson, der den Angriff »den schroffen Hang hinab, genau auf den vorrückenden Feind zu«, miterlebte.
    Das laute Frohlocken … bestätigte meine Furcht, dass unsere tapferen Kameraden bald außer Kontrolle geraten würden. Und abgesehen von einem kurzen Zeitraum während des langen Tages, als es uns gelang, so etwas wie eine reguläre Formation einzunehmen, wurde der Kampf tatsächlich von Gruppen unter dem Befehl der Kompanieoffiziere bestritten, die infolge des Dunstes und des Musketenrauches keinen festen Kontakt aufrechterhalten konnten.
    Das Kampfgeschehen wurde immer rasender und chaotischer, da eine Seite die andere den Hügel hinunterjagte, um dann ihrerseits durch eine neue Gruppe von höherem Gelände angegriffen zu werden. Die Soldaten beider Armeen verloren jegliche Disziplin und wurden zu ungezügelten Horden, die nicht auf ihre Offiziere hörten und von Wut und Furcht angetrieben wurden (verstärkt durch die Tatsache, dass sie einander im Nebel nicht erkennen konnten). Sie stürmten unter Gebrüll hin und her, feuerten ihre Gewehre ab, schlugen mit ihren Schwertern um sich, und wenn ihnen die Munition ausgegangen war, bewarfen sie einander mit Steinen, schlugen mit ihren Gewehrkolben zu und traten und bissen den Feind sogar. 49
    In einem solchen Gefecht war der Zusammenhalt der kleinen Kampfverbände entscheidend. Alles hing davon ab, ob Gruppen von Männern und ihre Kommandeure Disziplin und Einheit bewahren konnten – ob sie in der Lage waren, sich zu organisieren und während des Kampfes zusammenzubleiben, ohne die Nerven zu verlieren oder vor Angst davonzulaufen. Die Soldaten des Tarutinsker Regiments bestanden diese Feuerprobe nicht.
    Chodasiewicz war einer der Kompanieoffiziere im 4. Bataillon des Tarutinsker Regiments. Dieses Bataillon hatte den Auftrag, die Ostseite des Mount Inkerman zu besetzen und Pawlows anderen Soldaten Deckung zu geben, während sie die Gabionen und Faschinen für die Schanzarbeiten gegen die britischen Stellungen heraufbrachten. Die Einheit verirrte sich im dichten Nebel, schwenkte nach links und vermischte sich mit mürrischen Soldaten vom Jekaterinburger Regiment, die bereits mit Soimonows Männern auf den Anhöhen waren und sie nun zurück zur Steinbruch-Schlucht führten. Mittlerweile hatte Chodasiewicz die Kontrolle über seine Männer verloren, die völlig vom Jekaterinburger Regiment aufgesogen worden waren. Ohne Anweisung durch die Offiziere kletterten manche Tarutinsker wieder den Hügel hinauf. Vor sich entdeckten sie einige ihrer Kameraden, »die vor einer kleinen Batterie standen, ›Hurra!‹ riefen und ihre Mützen schwenkten, damit wir uns zu ihnen gesellten«, erinnerte sich Chodasiewicz. »Die Trompeter bliesen ohne Unterlass zum Vormarsch, und mehrere meiner Männer

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