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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Hänge waren glitschig vor Schlamm, so dass sich Männer und Pferde mit den schweren Geschützen abmühten. Doch in jener Nacht hatte es aufgehört zu regnen, und ein dichter Nebel verbarg den Aufstieg vor den Außenposten des Feindes. »Der Nebel hüllte uns ein«, berichtete Hauptmann Andrijanow später. »Wir konnten nur ein paar Fuß nach vorn schauen. Die Feuchtigkeit ließ uns bis ins Mark frösteln.« 42
    Der dichte Nebel sollte in den bevorstehenden Kämpfen eine bedeutende Rolle spielen. Die Soldaten konnten ihre Kommandeure nicht erkennen, deren Befehle dadurch so gut wie belanglos wurden. Stattdessen verließen sie sich auf ihre eigenen Kompanieoffiziere, und als diese verschwanden, mussten sie selbst die Initiative ergreifen und allein oder mehr oder weniger improvisiert zusammen mit den Kameraden kämpfen, die sie im Nebel noch erkennen konnten. Dies sollte eine »Soldatenschlacht« werden – die größte Bewährungsprobe für eine moderne Armee. Alles hing vom Zusammenhalt der kleinen Einheiten ab, und jeder Mann wurde zu seinem eigenen General.
    In den ersten Stunden war der Nebel vorteilhaft für die Russen. Er verbarg ihre Annäherung und ließ sie bis dicht an die britischen Positionen vorrücken, so dass der Nachteil ihrer Musketen und Geschütze gegenüber den Minié-Gewehren mit ihrer größeren Reichweite ausgeglichen war. Die britischen Posten bemerkten die Russen nicht, da sie am Fuß des Hügels, von wo sie nichts sehen konnten, Zuflucht vor dem schlechten Wetter gesucht hatten. Die Geräusche einer dahinmarschierenden Armee, die vorher in der Nacht zu hören gewesen waren, lösten nun keinen Alarm aus. Der Gemeine Bloomfield hatte auf dem Mount Inkerman Wachdienst und hörte, dass sich in Sewastopol etwas rührte (die Kirchenglocken läuteten mit Unterbrechungen die ganze Nacht hindurch), aber er bemerkte nichts Verdächtiges. »Es herrschte starker Nebel – so stark, dass wir einen 10 Meter von uns entfernten Mann nicht erkennen konnten, und fast die ganze Nacht nieselte es«, erinnerte sich Bloomfield. »Alles war in Ordnung bis Mitternacht, als einige unserer Posten die Geräusche von Rädern und des Entladens von Kanonenkugeln und Granaten meldeten, doch der diensthabende Feldoffizier kümmerte sich nicht darum. Die ganze Nacht hindurch, von ungefähr 9 Uhr abends, läuteten die Glocken und spielten die Musikkapellen, und überall in der Stadt wurde gelärmt.«
    Ehe sie wussten, wie ihnen geschah, wurden die Posten auf dem Granatenhügel von Soimonows Plänklern überrannt, und kurz darauf erschienen die ersten Kolonnen seiner Infanterie – 6000 Mann vom Kolywaner, Jekaterinburger und Tomsker Regiment – aus dem Nebel. Die Russen montierten ihre Kanonen auf dem Granatenhügel und begannen die Briten zurückzudrängen. »Als wir zurückwichen, folgten uns die Russen mit dem teuflischsten Gebrüll, das man sich vorstellen kann«, schrieb Hauptmann Hugh Rowlands, der die Posten befehligte und sie zur nächsten Anhöhe schickte. Dort sollten sie das Feuer eröffnen, doch sie mussten feststellen, dass ihre Gewehre nicht funktionierten, weil ihr Pulver vom Regen durchtränkt war. 43
    Nach dem Geräusch von Schüssen wurde im Lager der 2. Division endlich Alarm geschlagen. Soldaten liefen in Unterwäsche herum, zogen sich an und falteten ihre Zelte zusammen, bevor sie nach ihren Gewehren griffen und sich aufstellten. »Es gab sehr viel Hast und Verwirrung«, meinte George Carmichael vom Derbyshire Regiment. »Einige nicht angebundene Tragtiere, die durch die Schüsse verängstigt worden waren, galoppierten durchs Lager, und die Männer, die anderswo verschiedene Aufgaben erledigt hatten, rannten herbei, um sich ins Glied zu stellen.« 44
    Der Befehl wurde von General Pennefather übernommen, dem Stellvertreter von de Lacy Evans, der durch einen Sturz vom Pferd verletzt worden war, aber weiterhin eine beratende Funktion ausübte. Pennefather wählte eine andere Taktik als Evans am 26. Oktober. Statt zurückzuweichen, um den Feind vor die Kanonen hinter dem Heimatkamm zu locken, teilte er der Postenkette immer mehr Gewehrschützen zu, um die Russen auf größtmöglicher Distanz zu halten, bis Verstärkungen eintreffen konnten. Pennefather wusste nicht, dass die Russen seiner Division um das Sechsfache überlegen waren, doch seine Taktik beruhte auf der Hoffnung, dass der dichte Nebel seine Schwäche vor dem Feind verbergen würde.
    Pennefathers Männer wehrten die Russen tapfer ab. In kleinen

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