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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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rannten aus der Reihe!« An der Sandsack-Batterie fand Chodasiewicz seine Leute in völliger Unordnung vor. Verschiedene Regimenter waren miteinander vermischt, weshalb ihre Befehlsstrukturen zusammenbrachen. Er ließ seine Männer mit Bajonetten voranstürmen, und sie überwältigten die Briten in der Batterie, trieben sie dann jedoch nicht den Hügel hinunter, sondern blieben innerhalb der Stellung, wo »sie ihre Pflicht vergaßen und auf der Suche nach Beute herumliefen«, schrieb ein anderer Offizier, der meinte, »dass all das wegen eines Mangels an Offizieren und Führung geschah«.
    Der Nebel und die Vermischung der Regimenter hatten zur Folge, dass auf russischer Seite viele Soldaten versehentlich von den eigenen Leuten getroffen wurden. Soimonows Soldaten, insbesondere das Jekaterinburger Regiment, schossen auf die Männer in der Sandsack-Batterie – entweder weil sie diese für Feinde hielten oder weil sie den Befehlen eines Offiziers gehorchten, der die Disziplin wahren wollte und seine Einheit deshalb dem Feuer ihrer Kameraden aussetzte. »Das Chaos war nicht zu fassen«, berichtete Chodasiewicz. »Einige der Männer meckerten über das Jekaterinburger Regiment, andere riefen nach der Artillerie, die Trompeter bliesen dauernd das Signal zum Vormarsch, und die Tamboure trommelten zum Angriff, aber niemand rührte sich; sie standen da wie eine Schafherde.« Ein Signal, das ein Manöver nach links vorsah, rief eine plötzliche Panik unter den Tarutinskern hervor, die den fernen Lärm französischer Trommeln zu hören glaubten. »Überall schrie jemand: › Wo ist die Reserve?‹«, erinnerte sich ein Offizier. Da die Soldaten fürchteten, keine Unterstützung zu erhalten, rannten sie entsetzt den Hügel hinunter. Laut Chodasiewicz »brüllten Offiziere den Männern zu anzuhalten, doch vergebens, denn keiner dachte daran zu stoppen, sondern jeder schlug die Richtung ein, die ihm seine Fantasie oder seine Ängste vorgaben«. Nicht einmal die höchsten Offiziere konnten den panischen Rückzug der Männer verhindern, die bis zum Grund der Steinbruch-Schlucht liefen, erst am Sewastopoler Aquädukt haltmachten und sich dort zusammendrängten. Generalleutnant Kirjakow, der Befehlshaber der 17. Infanteriedivision, der an der Alma von der Bildfläche verschwunden war, erschien auf seinem weißen Hengst am Aquädukt, schlug mit seiner Peitsche um sich und befahl den Soldaten, wieder den Hügel hinaufzuklettern. Sie achteten jedoch nicht auf ihn oder erwiderten: »Mach’s doch selbst!« Chodasiewicz erhielt die Anweisung, seine Kompanie zu sammeln, aber von 120 Mann waren nur noch 45 übrig. 50
    Die Tarutinsker hatten sich nicht geirrt, als sie glaubten, das Geräusch französischer Trommeln zu hören. Raglan hatte Bosquet auf den Sapun-Höhen um sieben Uhr einen dringenden Hilferuf geschickt, nachdem er am Heimatkamm eingetroffen war, um die Schlacht zu inspizieren (daneben hatte er befohlen, zwei schwere 18-Pfünder von den Belagerungsbatterien heraufbringen zu lassen, um der russischen Kanonade Paroli zu bieten, doch der Befehl war verloren gegangen). Bosquets Männer hatten bereits vermutet, dass die Briten in Gefahr waren, als sie die ersten Schüsse hörten. Die Zuaven hatten am Vorabend sogar den Marsch der Russen bemerkt – durch ihre afrikanische Erfahrung verstanden sie sich darauf, am Boden zu lauschen – , und warteten nur noch auf den Angriffsbefehl. Nichts war für ihre Kampfweise besser geeignet als der Nebel und die mit Sträuchern bewachsenen Hänge, denn nach Algerien kannten sie sich in der Gebirgskriegführung aus und waren am effektivsten, wenn sie in kleinen Gruppen kämpfen und den Feind überfallen konnten. Die Zuaven und Chasseurs wollten unbedingt vorrücken, doch Bosquet hielt sie zurück, da er Liprandis Armee fürchtete: 22 000 Soldaten und 88 Feldgeschütze im Südtal unter dem Befehl von Gortschakow, die begonnen hatten, die Sapun-Höhen aus der Ferne zu beschießen. »Vorwärts! Lasst uns marschieren! Es wird Zeit, sie zu erledigen!«, riefen die Zuaven ungeduldig und wütend, als Bosquet in ihren Reihen erschien. »Eine Revolte drohte«, berichtete Louis Noir, welcher der ersten Kolonne der Zuaven angehörte.
    Der tiefe Respekt und die aufrichtige Zuneigung, die wir für Bosquet empfanden, wurden durch das Ungestüm der alten algerischen Banden schwer auf die Probe gestellt. Plötzlich drehte sich Bosquet um, zog sein Schwert, stellte sich an die Spitze seiner Zuaven, seiner Türken

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