Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
einem aus dem 28. (North Gloucestershire) Regiment. Doch die Russen waren ohnehin durch die lautstarken Vorbereitungen der Briten am Abend des 17. Juni alarmiert. Oberstleutnant James Alexander vom 14. Regiment erinnerte sich: »Die Männer, aufgeregt wie sie waren, legten sich nicht schlafen, sondern blieben wach, bis wir uns um Mitternacht aufstellen mussten. Unser Lager glich einem erhellten Jahrmarkt, überall summten Stimmen. Dies dürften die Russen bemerkt haben.« 59
Das war unzweifelhaft der Fall. Prokofi Podpalow, eine Ordonnanz von General Golew im Redan, wurde am Abend auf die stetig zunehmenden Aktivitäten in den Steinbrüchen aufmerksam: »Der Klang von Stimmen, das Geräusch von Schritten in den Gräben und das Poltern der Lafettenräder in unsere Richtung … machten deutlich, dass die Alliierten bald das Zeichen zum Angriff geben würden.« Zu jenem Zeitpunkt hatten die Russen ihre Streitkräfte vom Redan zurückgezogen. Etliche Männer machten sich in die Stadt auf, um dort die Nacht zu verbringen, doch nachdem Golew die Anzeichen für den drohenden Angriff bemerkt hatte, ließ er all seine Soldaten zum Redan zurückkehren, wo sie ihre Kanonen feuerbereit machten und ihre Position auf den Brüstungen einnahmen. Podpalow erinnerte sich später an die »außerordentliche Stille« der Männer, während sie auf die Attacke warteten. »Jene Grabesstille hatte etwas Gespenstisches an sich. Alle spürten, dass sich etwas Schreckliches, etwas Mächtiges und Bedrohliches näherte, gegen das wir auf Leben und Tod kämpfen würden.« 60
Der französische Angriff sollte lange vor Tagesanbruch, nämlich um drei Uhr, mit einem dreistündigen Bombardement beginnen, gefolgt von der Erstürmung des Malachow um sechs Uhr, eine Stunde nach Sonnenaufgang. Doch am Abend des 17. änderte Pélissier plötzlich den Plan. Er war zu dem Schluss gelangt, dass den Russen die französischen Angriffsvorbereitungen in den ersten Minuten des Tageslichts nicht entgehen und dass sie Infanteriereserven zur Verteidigung des Malachow herbeiholen würden. Spät am Abend erteilte er einen neuen Befehl: Die Vorhut sollte den Malachow um drei Uhr direkt angreifen, wenn das Raketensignal zum Einsatz von der Viktoria-Redoute, hinter den französischen Linien unweit des Mamelon, abgefeuert werden würde. Dies war nicht die einzige jähe Änderung an jenem Abend. In einem Wutanfall (und um den erwarteten Erfolg für sich zu reklamieren) setzte Pélissier General Bosquet ab, weil dieser seine Entscheidung, den Angriff mit einem Bombardement zu beginnen, in Frage gestellt hatte. Bosquet besaß gründliche Kenntnisse der russischen Stellungen und genoss das Vertrauen der Soldaten; ihn ersetzte ein General, dem beides fehlte. Die plötzlichen Änderungen sorgten für große Unruhe unter den Franzosen – ganz besonders bei General Mayran, der die Aktion mit dem 97. Regiment anführen sollte. Der jähzornige Pélissier beleidigte ihn persönlich während einer anderen Auseinandersetzung, woraufhin Mayran mit den Worten »Il n’y a plus qu’à se faire tuer« (»Nun bleibt uns nichts anderes übrig, als uns töten zu lassen«) zurück zu seinem Posten stolzierte. 61
In seinem Eifer beging Mayran einen verhängnisvollen Fehler, denn er hielt eine Granate mit lodernder Lunte für das vereinbarte Raketensignal und befahl dem 97. Regiment, fünfzehn Minuten zu früh anzugreifen, als die übrigen französischen Verbände noch nicht bereit waren. Laut Herbé, der mit dem 95. Regiment in der zweiten Kolonne unmittelbar hinter Mayran wartete, war der General durch einen Vorfall kurz nach zwei Uhr in der Frühe provoziert worden, als zwei russische Offiziere an die französischen Schützengräben heranschlichen und im Dunkeln riefen:
»Allons, Messieurs les Français, quand il vous plaira, nous vous attendons« [»Los, meine Herren Franzosen, wenn Sie so weit sind, werden wir auf Sie warten«]. Wir waren fassungslos. Offensichtlich kannte der Feind all unsere Pläne, und wir würden auf eine gut vorbereitete Verteidigung stoßen. General Mayran war erzürnt über diese kühne Herausforderung und formierte seine Männer zu Kolonnen, damit sie den Malachow angreifen konnten, sobald das Signal ertönte … Alle Augen richteten sich auf die Viktoria-Redoute. Plötzlich, gegen Viertel vor drei, zog sich eine Lichtspur, gefolgt von einem Rauchstreifen, über den Himmel. »Das ist das Signal!«, riefen mehrere Offiziere, die sich um Mayran gruppierten. Eine
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