Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
die Soldaten, die versuchten, über 200 Meter offenen Geländes zum Redan zu laufen:
Sowie sie sich zeigten, wurde das Kartätschenfeuer auf sie eröffnet – es pflügte den Boden auf, warf viele um, der Staub blendete sie, und ich sah etliche, die zu den Gräben an ihrer linken Seite auswichen. Die Offiziere bestätigten mir später, dass sie von dem Staub, den die Kartätschen aufwirbelten, geblendet wurden; einer sagte, er sei außer Puste – atemlos – gewesen, bevor er die halbe Strecke zurückgelegt hatte. 65
Unter dem Kartätschenhagel verloren einige Soldaten die Nerven und liefen davon, obwohl ihre Offiziere versuchten, sie durch Drohungen zurückzuhalten und sie neu zu formieren. Schließlich erreichten die ersten Angreifer und die führenden Leiterträger die Abattis ungefähr 30 Meter vor dem Graben des Redan. Während sie sich durch die Lücken dazwischen zwängten, »stiegen [die Russen] auf die Brüstungen des Redan und schossen eine Salve nach der anderen auf uns ab«, schrieb Timothy Gowing:
Sie hissten eine große schwarze Flagge und forderten uns auf heranzukommen. »Mord« wurde auf jenem Feld gerufen, denn der feige Gegner feuerte stundenlang auf unsere Landsleute, die blutend und unter Todesqualen dalagen. Manche unserer Offiziere sagten: »Das darf nicht sein – wir werden es ihnen heimzahlen!« Alles hätten wir ihnen verzeihen können, hätten sie nicht arme, schutzlose, verwundete Männer niedergeschossen.
Die Sturmtruppen schwanden bis auf die letzten hundert Mann dahin, die sich nun zurückzogen und die Drohungen ihrer Vorgesetzten, sie zu erschießen, ignorierten. Laut einem Offizier, der eine Gruppe von Männern zur Fortsetzung des Angriffs angetrieben hatte, »waren sie von der Überzeugung erfüllt, dass sie beim nächsten Schritt in die Luft gesprengt werden würden; sie seien bereit, gegen beliebig viele Männer zu kämpfen, aber sie würden nicht weitergehen, um sich in die Luft jagen zu lassen«. 66 Weithin war gemunkelt worden, dass der Redan vermint sei.
Derweil brachen 2000 Mann von der 3. Division unter Generalmajor Eyre an der linken Flanke zu den Vororten von Sewastopol durch. Sie waren angewiesen worden, mehrere russische Gewehrstellungen zu besetzen und, wenn der Sturm auf den Redan es ermöglichte, weiter bis zur Postenhaus-Schlucht vorzurücken. Eyre aber hatte seine Befehle überschritten und war mit seiner Brigade weitermarschiert, um die Russen auf dem Friedhof zu überwältigen, ehe er in den Straßen von Sewastopol unter schweren Beschuss geriet. Man habe sich in einer »Sackgasse« wiedergefunden, erinnerte sich Hauptmann Scott vom 9. Regiment: »Wir konnten uns nicht von der Stelle rühren und mussten uns von 4 bis 21 Uhr zur Wehr setzen, 17 Stunden unter einem schrecklichen Feuer durch Kanonen, Granatwerfer, Kartätschen und Hunderte ihrer Scharfschützen; unsere einzige Deckung waren die Häuser, deren Wände bei jedem Schuss um uns herum zerbröckelten.« Laut Oberstleutnant Alexander vom 14. Regiment wurde die Erstürmung der Stadt zu einer Art Kapriole, denn einige irische Soldaten »eilten in einen Teil von Sewastopol hinein und vergnügten sich in Häusern mit Frauen, Bildern, Mahagoni, Möbeln und Klavieren darin; auch vergnügten sie sich mit starkem Wein … Manche der irischen Jungen verkleideten sich als Frauen und kämpften in dieser Aufmachung; ein paar brachten Spiegel, Tische und einen Stachelbeerstrauch mit Früchten ins Lager zurück!« Für die übrigen Soldaten, die in ausgebombten und bröckelnden Gebäuden vor dem Feuer des Feindes Zuflucht suchten, verging der Tag ohne derartige Amüsements. Erst im Schutz der Dunkelheit konnten sie sich zurückziehen, wobei sie Hunderte von Verwundeten mitnahmen. 67
Am folgenden Morgen rief man eine Waffenruhe aus, um die Toten und Verwundeten vom Schlachtfeld zu bergen. Die Verluste waren enorm. Die Briten hatten ungefähr 1000 Gefallene und Verwundete zu beklagen, die Franzosen wohl sechsmal so viele (die genauen Zahlen wurden zurückgehalten). Ein Zuaven-Hauptmann, der mit einem Team ins Niemandsland hinausgeschickt wurde, um die Toten einzusammeln, beschrieb die Szene am 25. Juni in einem Brief in die Heimat:
Ich werde Euch nicht all die entsetzlichen Gefühle beschreiben, die ich auf jenem Gelände durchmachte, das mit in der Hitze verwesenden Leichen übersät war; unter ihnen erkannte ich einige meiner Kameraden. Ich war mit 150 Zuaven zusammen, die Tragbahren und Behälter mit Wein bei
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