Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
russisch-türkischen Krieges von 1806–1812. Vladimirescus bäuerliche Anhänger waren in Wirklichkeit allerdings viel stärker gegen ihre phanariotischen Herrscher und Gutsbesitzer als gegen die fernen Osmanen eingestellt. Durch den Vertrag von Bukarest waren die Fürstentümer der gemeinsamen Oberhoheit Russlands und des Osmanischen Reiches zugeordnet worden. Sie besaßen keine türkischen Garnisonen, doch die örtlichen Hospodaren durften kleine Heere unterhalten, die sich, wie Ypsilantis erwartete, dem Aufstand anschließen würden, sobald seine griechischen Freiwilligen aus Russland den Pruth überquert hatten. Ypsilantis hoffte, dass die Revolte eine russische Intervention zur Verteidigung der Griechen auslösen würde, wenn die Türken zu repressiven Maßnahmen griffen. In der moldauischen Hauptstadt Jassy erschien er in russischer Uniform und verkündete den örtlichen Bojaren, er habe »die Unterstützung einer Großmacht«. Tatsächlich fand er viel Zuspruch in den elitären Kreisen von St. Petersburg, wo philhellenische Gefühle überwogen, sowie unter Militär- und Kirchenführern. Die russischen Konsulate in den Fürstentümern wurden sogar zu Rekrutierungsbüros für die Revolte. Doch weder Kapodistrias noch der Zar war über die Vorbereitungen für den Aufstand informiert, und beide verurteilten ihn, sobald er begann. Bei aller Sympathie für die griechische Sache war Russland einer der Gründer der Heiligen Allianz, des konservativen Bündnisses mit Österreich und Preußen von 1815, dessen erklärtes Ziel darin bestand, revolutionäre und nationalistische Bewegungen auf dem europäischen Kontinent zu bekämpfen.
Ohne russischen Beistand wurde die griechische Rebellion in den Fürstentümern sehr bald durch 30000 türkische Soldaten niedergeschlagen. Die walachische Bauernarmee zog sich in die Berge zurück, und Ypsilantis entkam ins heutige Siebenbürgen, wo er von den Österreichern verhaftet wurde. Die Türken besetzten die Moldau und die Walachei und ergriffen Vergeltungsmaßnahmen gegen die dortige christliche Bevölkerung. Türkische Soldaten plünderten Kirchen, ermordeten Priester, Männer, Frauen und Kinder; sie verstümmelten ihre Opfer, indem sie ihnen Nase, Ohren und Kopf abhackten, während ihre Offiziere zusahen. Tausende verängstigter Zivilisten flohen ins benachbarte Bessarabien, wodurch die russischen Behörden vor einem enormen Flüchtlingsproblem standen. Die Gewalt erfasste sogar Konstantinopel, wo der Patriarch und mehrere Bischöfe am Ostersonntag des Jahres 1821 von einer Gruppe Janitscharen öffentlich aufgehängt wurden.
Die Kunde von den Gräueltaten erregte immer stärkeres russisches Mitgefühl mit der griechischen Sache, und der Zar sah sich trotz seines Engagements für die Prinzipien der Heiligen Allianz verpflichtet einzugreifen. Nach Alexanders Meinung gingen die Aktionen der Türken weit über die legitime Verteidigung der osmanischen Souveränität hinaus. Die Türken waren in einen Religionskrieg mit den Griechen verwickelt, deren Rechte die Russen nach ihrer Lesart des Vertrags von Kutschuk-Kainardsche schützen mussten. Der Zar forderte die Türken in einem Ultimatum auf, die Fürstentümer zu räumen, die beschädigten Kirchen zu restaurieren und die Vertragsrechte Russlands zur Verteidigung der orthodoxen Untertanen des Sultans anzuerkennen. Dies war das erste Mal, dass eine der Mächte für die Griechen eintrat. Die Reaktion der Türken bestand darin, dass sie russische Schiffe kaperten, deren Getreide beschlagnahmten und die Besatzungen in Konstantinopel einsperrten.
Russland brach die diplomatischen Beziehungen ab, und viele Berater des Zaren befürworteten einen Krieg. Die griechische Revolte hatte sich auf Zentralgriechenland, den Peloponnes, Makedonien und Kreta ausgeweitet. Die Russen fürchteten, dass der Aufstand, falls sie sich nicht einschalteten, mit ähnlicher Brutalität wie der in den Fürstentümern unterdrückt werden würde. Im Jahr 1822 machten osmanische Soldaten eine griechische Rebellion auf der Insel Chios rücksichtslos nieder: Sie hängten 20000 Inselbewohner auf und deportierten fast die gesamte überlebende Bevölkerung von 70000 Griechen in die Sklaverei. Europa war empört über das Gemetzel, dessen Schrecken der französische Maler Eugène Delacroix in seinem Meisterwerk Das Massaker von Chios (1824) wiedergab. Im russischen Außenministerium setzten sich Kapodistrias und Sturdza für eine militärische Intervention aus
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