Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
zentralasiatischen Steppen fort. Er hatte die Pioniere bei der Belagerung von Kars befehligt, ehe er Miljutins Pionierchef im Kriegsministerium wurde. Kaufman löste Tschernjajew als Militärgouverneur von Turkestan ab. Im Jahr 1868 vollendete er die Eroberung von Samarkand und Buchara. Fünf Jahre später fiel Chiwa ebenfalls an die Russen, gefolgt von Kokand im Jahr 1876. Buchara und Chiwa blieben, was die interne Verwaltung anging, weiterhin in der Hand ihrer jeweiligen Khane, waren jedoch außenpolitisch gesehen der Kontrolle der Russen unterworfen und fungierten im Grunde als Protektorate nach Art der Fürstenstaaten Britisch-Indiens.
Tschernjajew und Ignatjew wurden zu führenden Gestalten der panslawistischen Bewegung der 1860er und 1870er Jahre. Neben der Hinwendung Russlands nach Osten war der Panslawismus die zweite wichtige Reaktion auf die Niederlage im Krimkrieg, denn der Zorn auf Europa hatte einen Ausbruch nationalistischer Gefühle zur Folge. Da die Zensur im Rahmen der liberalen Reformen des neuen Zaren gelockert worden war, konnten zahlreiche neue panslawistische Zeitschriften die Außenpolitik Russlands vor dem Krimkrieg mit Nachdruck kritisieren. Insbesondere griffen sie die legitimistische Politik von Nikolaus I. an, welche die Balkanchristen im Interesse des Konzerts der Nationen muslimischer Herrschaft ausgeliefert habe. »Um des europäischen Gleichgewichts willen « , schrieb Pogodin in der ersten Nummer der panslawistischen Zeitschrift Parus im Januar 1859, »werden 10 Millionen Slawen gezwungen, unter dem Joch des brutalsten Despotismus, des ungezügeltsten Fanatismus und der unglaublichsten Ignoranz zu stöhnen, zu leiden und sich zu quälen .« 45 Nachdem Gortschakow diese legitimistischen Prinzipien aufgegeben hatte, forderten die Panslawisten die Regierung erneut auf, sich für die Befreiung der Balkanslawen von türkischer Herrschaft einzusetzen. Einige gingen so weit zu behaupten, dass Russland sich vor dem feindlichen Westen schützen müsse, indem es alle Slawen Europas unter seiner Führung vereinige – eine Idee, die Pogodin erstmals während des Krimkriegs äußerte, um sie dann noch beharrlicher in seinen späteren Schriften zu wiederholen.
Während panslawistische Ideen in russischen Intellektuellen- und Regierungskreisen an Einfluss gewannen, vermehrten sich die philanthropischen Organisationen, welche die panslawistische Sache förderten, indem sie den Balkanslawen Geld für den Bau von Schulen und Kirchen schickten oder indem sie Studenten nach Russland holten. Das Moskauer Slawische Wohltätigkeitskomitee wurde 1858 gegründet, und in den 1860er Jahren eröffnete man jeweils Zweigstellen in St. Petersburg und Kiew. Es wurde von privaten Stiftern und vom Bildungsministerium finanziert und brachte Regierungsvertreter und Militärs (viele von ihnen Veteranen des Krimkriegs, die auch auf dem Balkan gekämpft hatten) mit Hochschullehrern und Schriftstellern (darunter Dostojewski und Tjutschew, die beide zum St. Petersburger Komitee gehörten) zusammen.
In den ersten Nachkriegsjahren achteten die Panslawisten darauf, ihre radikaleren Ziele einer slawischen politischen Vereinigung nicht offen zu diskutieren und die Außenpolitik der Regierung nicht zu streng zu kritisieren (die von Pogodin geäußerten Meinungen führten dazu, dass Parus verboten wurde). Anfang der 1860er Jahre jedoch, als sich Ignatjew als Panslawist entpuppte und zu einer wichtigen Figur innerhalb der Regierung wurde, hielten sie mit ihren Meinungen nicht mehr hinter dem Berg. Ignatjews wachsender Einfluss in der Außenpolitik stützte sich vor allem auf seine überaus erfolgreichen Verhandlungen für den chinesisch-russischen Vertrag von Beijing im November 1860, durch den Russland die Amur- und die Ussuri-Region sowie Wladiwostok im Fernen Osten erhielt. 1861 stieg Ignatjew zum Direktor der Asienabteilung des Außenministeriums auf, die für die russische Politik auf dem Balkan verantwortlich war. Drei Jahre später wurde er zum Gesandten des Zaren in Konstantinopel ernannt – ein Posten, den er bis zum russisch-türkischen Krieg von 1877/78 bekleidete. In all diesen Jahren strebte Ignatjew auf dem Balkan eine militärische Lösung für die Orientalische Frage an: Von den Russen geförderte slawische Aufstände gegen die türkische Herrschaft und das Eingreifen der zaristischen Armee sollten die Befreiung der Slawen und die Schaffung eines Slawischen Bundes unter russischer Führung ermöglichen.
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