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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Rebellen im Kaukasus zu verstärken. Er nahm Verbände im Kaukasus von der allgemeinen Entlassung aus dem Wehrdienst aus, mobilisierte neue Regimenter und befahl, 10 000 im Ausland erworbene Minié-Gewehre an Barjatinski weiterzuleiten, der Ende 1857 die Kontrolle über mehr als ein Sechstel des Militärhaushalts und über 300 000 Mann hatte. Der Fürst berief Miljutin zum Stabschef, um die im Kaukasus erforderlichen Militärreformen durchführen zu lassen. Falls sie dort erfolgreich waren, würde das die Argumente, die russische Armee als Ganzes zu reformieren, stärken. Miljutin griff auf westliche Militärtheorien sowie auf die Vorschläge von General Ridiger zurück und regte an, den Befehlsweg zu vereinfachen, indem man den Kommandeuren vor Ort mehr Entscheidungsfreiheit und größere Kontrolle über die verfügbaren Mittel gewährte, damit sie sich ihre Meinung aufgrund der lokalen Verhältnisse bilden konnten. Diese Idee setzte eine allgemeine Verbesserung der Offiziersausbildung voraus. 42
    Nach dem Krimkrieg war Schamils Bewegung gänzlich demoralisiert. Ohne die Intervention der Westmächte und mit geringem Beistand seitens der Osmanen sah sich die Guerillabewegung der muslimischen Stämme nicht mehr imstande, ihren Kampf gegen die Russen fortzusetzen. Die Tschetschenen waren erschöpft von dem Krieg, der vierzig Jahre gedauert hatte, und Delegationen aus allen Teilen ihres Landes forderten Schamil auf, Frieden mit den Russen zu schließen. Schamil wollte weiterkämpfen, doch er konnte dem massiven Aufmarsch von Barjatinskis Streitkräften nicht lange standhalten und kapitulierte schließlich am 25. August 1859 vor den Russen. ******
    Auf der Grundlage des militärischen Triumphs im Kaukasus wurde Miljutin im November 1861 auf Barjatinskis Empfehlung hin vom Zaren zum Kriegsminister ernannt. Nachdem das Edikt über die Aufhebung der Leibeigenschaft verabschiedet worden war, glaubte Alexander, es sei endlich an der Zeit, die Militärreformen durchzusetzen. Das Gesetzespaket, das Miljutin dem Zaren vorlegte, baute auf seinen früheren Plänen auf. Das wichtigste Gesetz (erst 1874 verabschiedet) betraf die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht für sämtliche Männer im Alter von zwanzig Jahren. Organisiert durch Militärbezirke zur Aufrechterhaltung eines stehenden Heeres, ähnelte das neue russische System dem der Wehrpflichtigenarmeen anderer europäischer Staaten. Allerdings wurde das Universalprinzip im zaristischen Russland nie völlig umgesetzt, weil die Staatsfinanzen unzureichend waren und weil sich die Hierarchien von Klassenzugehörigkeit, Religion und ethnischen Gruppen weiterhin bei der Durchführung jedweder politischer Maßnahmen bemerkbar machten. Miljutin legte in seiner Gesetzgebung den Schwerpunkt auf militärische Leistungsfähigkeit, doch auch humanitäre Anliegen spielten in seiner Reform stets eine große Rolle. Seine Hauptaufgabe bestand darin, die Armeekultur so umzugestalten, dass der Bauernsoldat als Bürger und nicht mehr als Leibeigener behandelt wurde. Die Militärakademien wurden modernisiert, und in der Lehre legte man größeren Nachdruck auf Wehrkunde und Technologie. Grundschulunterricht wurde für alle Rekruten obligatorisch, so dass die Armee für die Bauernschaft zu einer wichtigen Bildungsstätte wurde. Man reformierte das Militärjustizsystem und schaffte die Prügelstrafe ab – jedenfalls in der Theorie, denn in der Praxis wurden russische Soldaten weiterhin wegen relativ geringfügiger Verstöße gegen die Disziplin körperlich gezüchtigt und manchmal sogar ausgepeitscht. Die Auswirkungen der Leibeigenschaft waren in der Armee für den gemeinen Soldaten bis 1917 spürbar.
    * * *
    Der Krimkrieg verstärkte in Russland einen lange gehegten Groll gegenüber Europa. Man empfand es als Verrat, dass der Westen Partei für die Türken und gegen Russland ergriffen hatte. Es war das erste Mal in der Geschichte, dass ein europäisches Bündnis an der Seite eines muslimischen Staates gegen ein anderes christliches Land gekämpft hatte.
    Niemand empfand tieferen Groll auf Europa als Dostojewski. Zur Zeit des Krimkriegs diente er als Soldat in der Festung Semipalatinsk in Zentralasien, nachdem er aus einem sibirischen Gefangenenlager entlassen worden war, in das man ihn 1849 wegen seiner Mitwirkung in dem linken Petraschewski-Kreis verbannt hatte. In seinem einzigen veröffentlichten Verswerk (angesichts der poetischen Qualitäten dieses Politischen Gedichts auf die

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