Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
erheben. Gemeinsam mit seinen 25 Millionen orthodoxen Glaubensbrüdern wird Russland ganz Westeuropa das Fürchten lehren .« Alles hing vom Verhalten Serbiens ab, des, um Tschernjajews Wendung zu benutzen, »Piemonts des Balkans « . Der Zar und Gortschakow warnten die serbischen Führer, sich nicht in die Aufstände einzumischen, obwohl sie insgeheim mit den Panslawisten sympathisierten (»Tun Sie, was Sie wollen, solange wir offiziell nichts davon wissen « , teilte Baron Dschomini, der kommissarische Leiter des russischen Außenministeriums, einem Mitglied des Petersburger Komitees mit). Angespornt durch Ignatjew und den russischen Konsul in Belgrad sowie durch die Ankunft Tschernjajews, der im April erschien, um sich freiwillig für die slawische Sache einzusetzen, erklärten die serbischen Führer der Türkei im Juni 1876 den Krieg. 50
Die Serben setzten auf die bewaffnete Hilfe Russlands, denn Tschernjajew befehligte nun ihre Hauptarmee. Außerdem hatten Ignatjews Versprechen sie annehmen lassen, dass dies eine Wiederholung des Balkankriegs von 1853/54 sein werde, als Nikolaus I. seine Armee in der – letztlich enttäuschten – Hoffnung in die Donaufürstentümer entsandt hatte, dadurch einen Befreiungskrieg der Slawen auszulösen. Die öffentliche Meinung in Russland war zunehmend kriegslüstern, und die nationalistische Presse forderte, dass die Armee die Christen gegen die Türken verteidigte. Panslawistische Gruppen entsandten freiwillige Kämpfer, und ungefähr 5000 von ihnen machten sich nach Serbien auf. ******** Man organisierte Sammelaktionen, um den Slawen Geld überweisen zu können. Die Gesellschaft wurde von proslawistischen Gefühlen mitgerissen, und die Menschen redeten von einem Kreuzzug gegen die Türken wie im Jahr 1854.
Im Herbst 1876 hatte das Kriegsfieber auch den russischen Hof und Regierungskreise erfasst. Tschernjajews Armee stand vor der Niederlage, und der Zar reagierte auf seine verzweifelten Hilferufe, indem er der Hohen Pforte ein Ultimatum überreichen ließ und die Mobilmachung seiner Truppen anordnete. Das reichte aus, um die Türken zur Beendigung der Feindseligkeiten gegen die Serben zu veranlassen, die daraufhin Frieden mit ihnen schlossen. Die Russen verlagerten ihre Unterstützung nun auf die Bulgaren und verlangten Autonomie für sie, was die Hohe Pforte nicht akzeptierte. Nachdem Russland die Neutralität Österreichs durch Gebietsversprechen in Bosnien und Herzegowina sichergestellt hatte, erklärte es der Türkei im April 1877 erneut den Krieg.
Von Anfang an besaß die russische Offensive auf dem Balkan den Charakter eines Religionskriegs. Sie erinnerte überaus stark an die russisch-türkische Eröffnungsphase des Krimkriegs. Als die Russen unter dem Befehl von Großfürst Nikolai die Donau überquerten, schlossen sich ihnen slawische Freischärler – Bulgaren und Serben – an; einige verlangten für ihre Dienste Geld, doch die meisten kämpften für ihre nationale Sache gegen die Türken. Dies war ein christlicher Krieg, wie Zar Nikolaus ihn sich gewünscht hatte, als seine Soldaten 1853/54 in die Donaufürstentümer vordrangen. Ermutigt durch den Aufstand der Slawen, erwog Alexander, bis nach Konstantinopel vorzustoßen und dem Balkan eine russische Ordnung aufzuerlegen. Dazu drängte ihn nicht nur die panslawistische Presse, sondern auch sein eigener Bruder, Großfürst Nikolai, der dem Zaren im Januar 1878 schrieb, nachdem seine Armee Adrianopel, einen kurzen Marsch von Konstantinopel entfernt, erobert hatte: »Wir müssen ins Zentrum, nach Zargrad, gelangen und dort die heilige Sache vollenden, die Du übernommen hast .« Die panslawistischen Hoffnungen hatten ihren Höhepunkt erreicht. »Konstantinopel muß uns gehören « , verkündete Dostojewski, der die Eroberung der Stadt durch die russischen Armeen für nicht weniger als Gottes eigene Antwort auf die Orientalische Frage und für die Erfüllung des russischen Auftrags zur Befreiung der rechtgläubigen Christenheit hielt.
[Russland] wird über den ganzen Orient und seine künftige Ordnung wachen. Schließlich ist Rußland allein fähig, im Orient die Fahnen einer neuen Idee zu erheben und der ganzen östlichen Welt ihre neue Bestimmung zu erklären. Denn was ist eigentlich die Orientfrage? Die Orientfrage ist im Grunde genommen die Entscheidung der Schicksale der Orthodoxie. Die Schicksale der Orthodoxie sind mit der Bestimmung Rußlands verknüpft … Vom Osten wird nun das neue Wort an die Welt dem
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