Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
Vom Netzwerk:
europäischen Ereignisse von 1854 weiß man, warum es sonst keine gibt) stellte Dostojewski den Krimkrieg als die »Kreuzigung des russischen Christus « dar. Er warnte die westlichen Leser jedoch, dass Russland auferstehen und sich bei seiner von der Vorsehung festgelegten Mission zur Christianisierung der Welt dem Osten zuwenden werde:
    Was wisset ihr von Rußlands Weltgeschicken?
    Niemals wird euch seine Bestimmung klar.
    Sein ist der Osten! Millionen blicken
    Von dort mit Sehnsucht nach dem Doppelaar.
    Es herrschet über Asiens weite Strecken,
    Bringt frisches Leben in die Wüstenei’n,
    Und wird zum neuen Leben auferwecken
    Den Orient. So will es Gott allein. 43
    Da Russland vom Westen besiegt worden war, richtete es seine imperialen Überlegungen nun auf Asien. Für Barjatinski und das Kriegsministerium sollte die Niederlage Schamils im Kaukasus als Ausgangspunkt für die russische Eroberung der unabhängigen Khanate Zentralasiens dienen. Gortschakow und das Außenministerium hatten jedoch Bedenken, da sie ihre Versuche, die Beziehungen zu den Briten und Franzosen zu verbessern, durch eine expansionistische Politik gefährdet sahen. Der Zar, der sich zunächst nicht zwischen diesen gegensätzlichen Positionen entscheiden konnte, näherte sich 1856/57 dem Standpunkt an, dass die Bestimmung Russlands in Asien liege und dass nur Großbritannien die Erfüllung seiner Mission verhindere. Diese Betrachtungsweise, stark beeinflusst durch das Klima des gegenseitigen Misstrauens zwischen Russland und Großbritannien nach dem Krimkrieg, sollte die russische Politik im »Großen Spiel « prägen, dem imperialen Konflikt zwischen den beiden Ländern um die Vorherrschaft in Zentralasien.
    Der Zar war besorgt über die wachsende Präsenz der Briten in Persien, nachdem sie im anglo-persischen Krieg von 1856/57 gesiegt hatten. Gemäß dem Pariser Vertrag vom März 1857 zogen sich die Perser aus der Stadt Herat im nordwestlichen Afghanistan zurück, die sie mit russischer Unterstützung 1852 und 1856 besetzt hatten. Aus Alexanders Korrespondenz mit Barjatinski geht hervor, dass er fürchtete, die Briten könnten ihren Einfluss in Teheran nutzen, um sich an den Südküsten des Kaspischen Meeres festzusetzen. Er teilte Barjatinskis düstere Prognose, dass »das Erscheinen der britischen Fahne am Kaspischen Meer ein schwerer Schlag nicht nur für unsere Autorität im Orient, nicht nur für unseren Außenhandel, sondern auch für die politische Unabhängigkeit des [Russischen] Reiches sein würde « .
    Alexander beauftragte Suchosanet, einen Bericht »Über die Möglichkeit eines bewaffneten Konflikts zwischen Russen und England und Zentralasien « anzufertigen. Obwohl der Gedanke an eine militärische Bedrohung durch Großbritannien in dem Bericht zurückgewiesen wurde, ließ sich der Zar nicht von seiner Befürchtung abbringen, die Briten könnten ihre indische Armee einsetzen, um Zentralasien zu erobern und die Russen aus dem Kaukasus zu vertreiben. Im Frühjahr 1857 waren der britische Dampfer Kangaroo und mehrere kleinere Schiffe, die militärischen Nachschub für Schamils Streitkräfte an Bord hatten, an der tscherkessischen Küste abgefangen worden. Nun aber besaß Russland keine Schwarzmeerflotte mehr, um solche Einmischungen in seine Angelegenheiten durch die Briten zu verhindern. Alexander verlangte »kategorische Erklärungen « von der britischen Regierung, wartete aber vergeblich auf eine Antwort. Die »unbeschreibliche Infamie « , wie er die Kangaroo -Affäre nannte, bestärkte den Zaren in seinem Glauben, dass Russland nicht sicher vor der britischen Bedrohung sein werde, solange der Kaukasus nicht erobert und die zentralasiatische Steppe seiner politischen Kontrolle entzogen war.
    Während des ganzen Krimkriegs hatten die Russen verschiedene Möglichkeiten eines Angriffs durch Zentralasien in Richtung Kandahar und Indien erwogen, hauptsächlich um britische Truppen von der Krim abzulenken. Wenngleich diese Pläne allesamt als undurchführbar verworfen wurden, kursierten in Indien weithin Gerüchte von einer russischen Invasion. Viele dort nahmen die Sache ernst, und aufrührerische Schriften riefen Muslime und Hindus dazu auf, die Erschöpfung der Briten auf der Krim zu nutzen und sich gegen ihre Herrschaft zu erheben. Der Ausbruch der indischen Rebellion im Frühsommer 1857 ermutigte den Zaren, seine zentralasiatischen Pläne zu überdenken. Die Royal Navy konnte Russlands Küsten in der Ostsee, im Pazifik und im

Weitere Kostenlose Bücher