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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Weltausstellung ein wohlhabenderes und friedlicheres Zeitalter zu versprechen, das sich auf die britischen Prinzipien des Industrialismus und des Freihandels stützte. Das architektonische Wunder des Crystal Palace lieferte den Beweis für die Genialität der britischen Fertigungsverfahren und war ein angemessener Ort für eine Ausstellung, die zeigen sollte, dass Großbritannien in fast jedem gewerblichen Bereich die Führung innehatte. Es symbolisierte die Pax Britannica, welche die Briten Europa und der Welt bescheren wollten.
    Die einzige Bedrohung des Friedens schien aus Frankreich zu kommen. Durch einen Coup d’état am 2. Dezember 1851, dem Jahrestag von Napoleons Krönung zum Kaiser im Jahr 1804, setzte Louis-Napoléon, der Präsident der Zweiten Republik, die Verfassung außer Kraft und rief sich zum Diktator aus. Im folgenden November wurde die Zweite Republik durch einen Volksentscheid zum Zweiten Kaiserreich, und am 2. Dezember 1852 bestieg Louis-Napoléon den Thron als Kaiser der Franzosen, Napoleon III .
    Louis-Napoléon, 1854
    Das Erscheinen eines neuen französischen Kaisers alarmierte die Großmächte. In Großbritannien fürchtete man eine napoleonische Wiedererweckung. Parlamentsabgeordnete verlangten den Rückruf des Lissaboner Geschwaders, um den Ärmelkanal vor den Franzosen zu schützen. Lord Raglan, der künftige Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte im Krimkrieg, verbrachte den Sommer 1852 damit, die Verteidigung Londons vor einem potenziellen Angriff durch die französische Flotte zu durchdenken, und dies blieb auch 1853 die Priorität der britischen Marineplanung. Graf Buol, der österreichische Außenminister, forderte, dass Napoleon seine friedlichen Absichten bekräftigte. Der Zar wollte, dass er eine demütigende Verzichterklärung auf jegliche Aggression abgab, und versprach Österreich 60000 Soldaten, falls es von Frankreich angegriffen würde. Um alle Zweifler zu beruhigen, verkündete Napoleon im Oktober 1852 in Bordeaux: »Misstrauische Menschen sagen, das Reich bedeute Krieg, aber ich sage, das Reich bedeutet Frieden.« 1
    In Wirklichkeit gab es gute Gründe, misstrauisch zu sein. Es war nicht sehr wahrscheinlich, dass sich Napoleon III . dauerhaft mit der bestehenden Regelung in Europa zufriedengab, die den Zweck gehabt hatte, Frankreich nach den Napoleonischen Kriegen in die Schranken zu weisen. Seine große Popularität bei den Franzosen beruhte darauf, dass er ihre bonapartistischen Erinnerungen weckte, obwohl er in fast jeder Hinsicht hinter seinem Onkel zurückblieb. Mit seinem großen, unbeholfenen Körper, den kurzen Beinen, dem Schnurrbart und Spitzbart ähnelte er eher einem Bankier als einem Bonaparte (»extrem klein, doch mit einem Kopf und einer Brust, die einem viel größeren Mann gehören sollten«, schrieb Königin Viktoria in ihrem Tagebuch über ihn, nachdem sie ihn 1855 kennengelernt hatte 2 ).
    Napoleons Außenpolitik wurde weitgehend von seinem Bedürfnis bestimmt, dieser bonapartistischen Tradition gerecht zu werden. Er beabsichtigte, Frankreich im Ausland erneut zu einer Position des Respekts und des Einflusses zu verhelfen, wenn nicht gar zu dem Ruhm unter der Herrschaft seines Onkels, indem er die 1815 festgelegte Ordnung revidierte und Europa zu einer Familie liberaler Nationalstaaten nach dem angeblich von Napoleon I. geplanten Modell umgestaltete. Dieses Ziel glaubte er durch ein Bündnis mit Großbritannien, dem traditionellen Feind Frankreichs, erreichen zu können. Sein enger politischer Mitarbeiter und Innenminister, der Duc de Persigny, der 1852 einige Zeit in London verbracht hatte, versicherte ihm, Großbritannien werde nicht mehr von der Aristokratie dominiert, sondern von einer neuen »bürgerlichen Macht«, die danach strebe, den Kontinent zu beherrschen. Durch ein Bündnis mit Großbritannien werde Frankreich in der Lage sein, »eine großartige und glorreiche Außenpolitik zu entwickeln und sich effektiver für unsere vergangenen Niederlagen zu rächen als durch irgendeinen Gewinn, den wir durch die Wiederholung der Schlacht von Waterloo erringen könnten«. 3
    Russland aber war der Staat, gegen den die Franzosen kämpfen konnten, um ihren Nationalstolz wiederherzustellen. Die Erinnerung an Napoleons Rückzug aus Moskau, der den Kollaps des Ersten Kaiserreiches so wesentlich beschleunigt hatte, die sich anschließenden militärischen Niederlagen und die russische Besetzung von Paris wurden von den Franzosen noch immer als

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