Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
Vom Netzwerk:
Dampfschiffflotte, vom Mittelmeer aus eine Geschwindigkeit von achteinhalb Knoten und ihr Schwesterschiff, die Napoléon , sogar zwölf Knoten erreichen könnten. Dies bedeutete, dass die Franzosen in der Lage waren, die technisch rückständigen Flotten sowohl der Türken als auch der Russen zu besiegen. 6
    Der Zar zürnte den Türken, weil sie dem französischen Druck nachgegeben hatten, und drohte seinerseits mit Gewalt. Am 27. Dezember befahl er die Mobilisierung von 37000 Soldaten des 4. und 5. Armeekorps in Bessarabien, um die türkische Hauptstadt kurzfristig angreifen zu können, und er sah weitere 91000 Soldaten für einen gleichzeitigen Feldzug in den Donaufürstentümern und auf dem übrigen Balkan vor. Seine Gereiztheit ließ sich daran ablesen, dass er den Befehl erteilte, ohne Nesselrode, den Außenminister, Fürst Dolgorukow, den Kriegsminister, oder auch nur Graf Orlow, den Chef der Dritten Abteilung (mit dem er sich fast jeden Tag beratschlagte), zu konsultieren. Am Hof sprach man von einer Zerstückelung des Osmanischen Reiches, beginnend mit dem russischen Einmarsch in die Donaufürstentümer. In einer Notiz, die Nikolaus in den letzten Wochen des Jahres 1852 zu Papier brachte, erläuterte er seine Pläne für die Teilung des Osmanischen Reiches: Russland sollte die Donaufürstentümer und die Dobrudscha, das Deltagebiet, erhalten; Serbien und Bulgarien würden unabhängige Staaten werden; die Adriaküste sollte an Österreich fallen, Zypern, Rhodos und Ägypten an Großbritannien; Frankreich würde Kreta erhalten; aus der Inselgruppe sollte ein größeres Griechenland geschaffen werden; Konstantinopel sollte eine freie Stadt unter internationalem Schutz werden; und die Türken müssten aus Europa vertrieben werden. 7
    Zu jenem Zeitpunkt begann Nikolaus eine neue Verhandlungsrunde mit den Briten, deren überwältigende Seemacht sie bei jeder Auseinandersetzung zwischen Frankreich und Russland im Vorderen Orient zum entscheidenden Faktor machen würde. Immer noch überzeugt, bei seinem Besuch von 1844 eine Übereinkunft mit den Briten erzielt zu haben, glaubte er nun, er könne sie bitten, die Franzosen zurückzuhalten und die Vertragsrechte Russlands im Osmanischen Reich durchzusetzen. Daneben hoffte er, sie davon zu überzeugen, dass der Zeitpunkt für die Teilung der Türkei gekommen sei. Der Zar führte im Januar und Februar 1853 eine Reihe von Gesprächen mit Lord Seymour, dem britischen Botschafter in St. Petersburg. »Wir haben es mit einem kranken Mann zu tun«, begann er seine Ausführungen über die Türkei, »mit einem schwerkranken Mann. Es wäre ein großes Unglück, wenn er uns durch die Hände schlüpft, besonders ehe die nötigen Vorkehrungen getroffen sind.« Da das Osmanische Reich »auseinanderfalle«, sei es »sehr wichtig« für Großbritannien und Russland, sich über eine organisierte Teilung zu einigen, schon damit die Franzosen keine Expedition gen Osten entsandten, denn dies würde ihn zwingen, seine Streitkräfte in osmanisches Territorium marschieren zu lassen. »Wenn sich England und Russland einig sind«, ließ er Seymour wissen, »ist es unerheblich, was die anderen Mächte denken oder tun.« – »Als Gentleman« versicherte Nikolaus dem Botschafter, dass Russland auf die Gebietsansprüche von Katharina der Großen verzichte. Er habe kein Interesse daran, Konstantinopel zu erobern, da er wünsche, es zu einer internationalen Stadt zu machen, doch aus ebendiesem Grund könne er den Briten oder Franzosen nicht gestatten, es unter ihre Kontrolle zu bringen. Im Chaos eines osmanischen Zusammenbruchs werde er genötigt sein, die Hauptstadt zeitweilig ( en dépositaire ) zu besetzen, um zu verhindern, dass »die Türkei in kleine Republiken zerfällt, Asyle für die Kossuths und Mazzinis und andere Revolutionäre Europas«, und um die Ostchristen vor den Türken zu schützen. »Ich kann nicht vor der Erfüllung einer heiligen Pflicht zurückweichen«, betonte der Zar. »Unsere Religion, so wie sie sich in diesem Land gefestigt hat, kam aus dem Orient zu uns, und dies sind Gefühle sowie Verpflichtungen, die wir nie aus den Augen verlieren dürfen.« 8
    Seymour war nicht überrascht über die Teilungspläne des Zaren, und in seinem ersten Bericht an Lord John Russell, den Außenminister, schien er den Gedanken sogar zu begrüßen. Wenn Russland und Großbritannien, die beiden christlichen Staaten, die »am stärksten am Schicksal der Türkei interessiert sind«, die Stelle

Weitere Kostenlose Bücher