Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Bojarenversammlungen würden Beiräte treten, welche die beiden Mächte nominieren und beaufsichtigen sollten; und die russische Besatzung würde bis 1851 andauern. Die Vertragsklauseln liefen im Grunde auf die Wiederherstellung der russischen Kontrolle und auf eine erhebliche Minderung der Autonomie hinaus, welche die Fürstentümer sogar unter den Einschränkungen durch das règlement organique genossen hatten. 41 Der Zar zog den Schluss, dass die Fürstentümer fortan zur russischen Einflusssphäre gehörten, dass die Türken sie nur nach seinem Gutdünken behielten und dass er auch nach 1851 jederzeit in sie einrücken konnte, um der Hohen Pforte weitere Zugeständnisse abzupressen.
Der Erfolg der russischen Intervention in den Donaufürstentümern wirkte sich auf die Entscheidung des Zaren aus, im Juni 1849 in Ungarn einzugreifen. Die ungarische Revolution hatte im März 1848 begonnen, als das ungarische Parlament, inspiriert durch die Ereignisse in Frankreich und Deutschland und angeführt von dem brillanten Redner Lajos Kossuth, die Autonomie Ungarns vom Habsburger Reich proklamierte und eine Reihe von Reformen verabschiedete, darunter die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Übernahme der ungarischen Aufsicht über den Staatshaushalt und über die ungarischen Regimenter in der zaristischen Armee. Konfrontiert mit einem Volksaufstand in Wien, erkannte die österreichische Regierung die ungarische Autonomie zunächst an, doch nachdem die Revolution in der Hauptstadt unterdrückt worden war, befahl man die Auflösung des ungarischen Parlaments und erklärte Ungarn den Krieg. Unterstützt von den slowakischen, deutschen und ruthenischen Minderheiten Ungarns und von einer großen Zahl polnischer und italienischer Freiwilliger, welche die Habsburger Herrschaft genauso vehement ablehnten, waren die Ungarn den österreichischen Streitkräften durchaus gewachsen, und im April 1849, nach einer Reihe unentschiedener Gefechte, erklärten sie Österreich ihrerseits einen Unabhängigkeitskrieg. Daraufhin bat der gerade inthronisierte achtzehnjährige Kaiser Franz Joseph den Zaren um Hilfe.
Nikolaus war bereit, ohne Bedingungen gegen die Revolution einzuschreiten. Für ihn war das Ganze im Wesentlichen eine Frage der Solidarität mit der Heiligen Allianz – der Zusammenbruch des Habsburger Reiches hätte dramatische Folgen für das europäische Machtgleichgewicht gehabt – , aber auch das Eigeninteresse Russlands spielte dabei eine Rolle. Der Zar konnte es sich nicht leisten, beiseite zu stehen und der Ausbreitung der revolutionären Bewegungen in Zentraleuropa zuzuschauen, die womöglich zu einer neuen Erhebung in Polen führen konnten. In den Reihen der ungarischen Armee dienten viele polnische Exilanten; einige ihrer besten Kommandeure waren Polen, darunter General Jozef Bem, einer der Militärführer des Aufstands von 1830 und in den Jahren 1848/49 Befehlshaber der siegreichen ungarischen Streitkräfte in Siebenbürgen. Wenn die ungarische Revolution nicht eingedämmt wurde, bestand die Gefahr, dass sie auf Galizien (ein weitgehend polnisches, von Österreich kontrolliertes Gebiet) übergriff, womit sich die polnische Frage im Russischen Reich erneut stellen würde.
Am 17. Juni 1849 überquerten 190000 russische Soldaten die ungarische Grenze in die Slowakei und nach Siebenbürgen. Sie wurden von General Paskewitsch befehligt, der 1831 den Straffeldzug gegen die Polen geführt hatte. Die Russen gingen mehrfach brutal gegen die Bevölkerung vor, doch wurden viele von ihnen ihrerseits während einer nur acht Wochen dauernden Kampagne von Krankheiten, besonders Cholera, heimgesucht. Das ungarische Heer war dem russischen hoffnungslos unterlegen und kapitulierte in weiten Teilen am 13. August bei Vilàgos. Rund 5000 Soldaten (darunter 800 Polen) entkamen jedoch ins Osmanische Reich – hauptsächlich in die Walachei, wo einige türkische Einheiten dem Vertrag von Balta-Liman zum Trotz gegen die russische Besatzung kämpften.
Der Zar sprach sich für Milde gegenüber den ungarischen Führern aus und wandte sich gegen die grausamen Vergeltungsmaßnahmen der Österreicher. Aber er war entschlossen, die polnischen Flüchtlinge zu verfolgen, insbesondere die polnischen Generale der ungarischen Armee, die bei einem weiteren Freiheitskampf Polens gegen Russland eine maßgebliche Rolle spielen konnten. Am 28. August verlangte er von der türkischen Regierung die Auslieferung jener Polen, die zu seinen Untertanen gehörten.
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