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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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hatte bereits 1812 in den Kriegen gegen die Franzosen und 1828/29, als er durch eine Kanonenkugel kastriert worden war, im Krieg gegen die Türken gedient. Daneben besaß er Erfahrung als Marineminister, der an Plänen zur Eroberung der türkischen Meerengen mitgearbeitet hatte, als Generalgouverneur des besetzten Finnland im Jahr 1831 und als Unterhändler mit Persien. Menschikow war nach Seymours Einschätzung ein »ungewöhnlich gut informierter Mann und von vielleicht unabhängigerem Charakter als alle anderen Vertreter des Zaren; seine eigenartige Denkweise kommt immer wieder in sarkastischen Bemerkungen zum Ausdruck, deretwegen er in St. Petersburg ein wenig gefürchtet wird«. Ihm fehlten freilich der Takt und die Geduld, um die Türken zu besänftigen, was Seymour für bedeutsam hielt.
    Wäre es nötig, einen Militär nach Konstantinopel zu schicken, hätte der Kaiser schwerlich eine bessere Wahl treffen können; es ist jedoch unmöglich, außer Acht zu lassen, dass die Entscheidung für einen Soldaten an sich eine gewisse Rolle spielt und dass der Unterhändler, sollte sich eine Verhandlung … als unwirksam erweisen, jederzeit zum Befehlshaber werden kann, der über die Autorität verfügt, 100000 Soldaten anzufordern und sich an ihre Spitze zu setzen. 12
    Menschikows Mission lief darauf hinaus, vom Sultan die Annullierung des Novembererlasses zugunsten der Katholiken, die Wiederherstellung der griechischen Privilegien in der Grabeskirche und Wiedergutmachung in Form eines formellen Kontrakts oder sened zu verlangen, der die Vertragsrechte Russlands (zurückgehend bis 1774 zum Abkommen von Kutschuk-Kainardsche) garantieren würde, die orthodoxen Gläubigen nicht nur im Heiligen Land, sondern überall im Osmanischen Reich zu vertreten. Falls sich die Franzosen der griechischen Kontrolle über die Grabeskirche widersetzten, sollte Menschikow ein geheimes Verteidigungsbündnis vorschlagen, in dessen Rahmen Russland dem Sultan eine Flotte und 400000 Soldaten für den etwaigen Einsatz gegen eine Westmacht zur Verfügung stellen würde, vorausgesetzt, er nutzte seine Souveränität zugunsten der Orthodoxen. Seinem Tagebuch zufolge erhielt Menschikow den Befehl über das Heer und die Flotte sowie »das Amt des bevollmächtigten Ministers für Frieden oder Krieg«. Sein Auftrag lautete, Überredungskunst mit militärischen Drohungen zu verbinden. Der Zar hatte für den Fall, dass die Türken Menschikows Forderungen zurückwiesen, bereits Pläne gebilligt, die Donaufürstentümer zu besetzen und ihnen Unabhängigkeit zu gewähren. Er hatte den Vormarsch von 140000 Soldaten bis an die Grenzen der Fürstentümer angeordnet und war bereit, mit Hilfe dieser Streitkräfte und der Schwarzmeerflotte Konstantinopel zu erobern, falls der Sultan nicht mit anderen Mitteln zur Unterwerfung gezwungen werden konnte. In Sewastopol wurde eine spektakuläre Flottenschau abgehalten, die mit Menschikows Abreise in die türkische Hauptstadt zusammenfiel. Dort traf er am 28. Februar mit einer Dampffregatte ein, die den passenden Namen Donnerer trug. Eine große griechische Menschenmenge hatte sich im Hafen versammelt, um Menschikow jubelnd zu begrüßen. Ihn begleitete ein großes Gefolge von Armee- und Marineoffizieren, darunter General Nepokoitschitski, Stabschef des 4. Armeekorps, und Vizeadmiral Wladimir Kornilow, Stabschef der Schwarzmeerflotte, welche die Verteidigungsanlagen des Bosporus und Konstantinopels für den Fall eines Überraschungsangriffs ausspionieren sollten. 13
    Menschikows Forderungen hatten kaum eine Aussicht, in ihrer ursprünglichen Form akzeptiert zu werden. Die Tatsache, dass der Zar ihren Erfolg auch nur für möglich gehalten hatte, lässt erkennen, wie weit er von der politischen Realität entfernt war. Der von Nesselrode vorbereitete Entwurf des sened ging weit über die Auseinandersetzung im Heiligen Land hinaus. Im Grunde verlangte Russland einen neuen Vertrag, der seine Schutzrechte über die griechische Kirche im ganzen Osmanischen Reich bekräftigen und (da die orthodoxen Patriarchen auf Lebenszeit ernannt werden sollten) der Hohen Pforte keine Einspruchsmöglichkeit lassen würde. Die europäische Türkei würde zu einem russischen Protektorat werden und das Osmanische Reich, praktisch gesehen, zu einer stets von der russischen Militärmacht bedrohten Kolonie.
    Falls der Admiral überhaupt eine Chance gehabt hatte, einen diplomatischen Erfolg zu erzielen, so wurde sie durch sein Benehmen in der

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