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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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türkischen Hauptstadt zunichtegemacht. Zwei Tage nach Menschikows Ankunft brach er mit diplomatischem Brauch und beleidigte die Türken, indem er zu seiner feierlichen Begrüßung durch die Hohe Pforte nicht in Galauniform, sondern in Zivilkleidung und Mantel erschien. Bei seinem Treffen mit Großwesir Mehmet Ali verlangte Menschikow sofort die Entlassung von Fuad Efendi, dem Außenminister, der sich den Franzosen im November gebeugt hatte, und weigerte sich, Verhandlungen aufzunehmen, bevor nicht ein den russischen Interessen genehmerer Nachfolger ernannt war. In einem kalkulierten Affront gegen Fuad lehnte Menschikow es vor zahlreichen Zuschauern ab, mit ihm zu sprechen. Auf diese Weise demonstrierte der Admiral, dass ein Russland feindselig gegenüberstehender Minister »sogar mitten am Hof des Sultans gedemütigt und bestraft werden würde«. 14
    Die Türken waren bestürzt über Menschikows Verhalten, aber die russische Truppenansammlung in Bessarabien beunruhigte sie so sehr, dass sie sich seinen Forderungen fügten. Sie schluckten ihren Stolz hinunter und gestatteten dem russischen Dragomanen sogar, Fuads Nachfolger Rifaat Pascha im Auftrag Menschikows zu befragen, bevor sie ihn zum Außenminister ernannten. Doch Menschikows unablässige Schikanen und seine Drohung, die russischen Beziehungen zur Pforte abzubrechen, wenn sie seine Wünsche nicht unverzüglich erfüllte, verärgerten die türkischen Minister und verstärkten so ihre Bereitschaft, sich seinem Druck zu widersetzen und die Briten und Franzosen um Hilfe zu bitten. Für sie ging es darum, die Souveränität der Türkei zu verteidigen.
    Am Ende der ersten Woche von Menschikows Mission hatten türkische Beamte den Hauptinhalt seiner Anweisungen an sämtliche westlichen Botschaften verkauft oder durchsickern lassen. Zudem hatte sich der nervöse Mehmet Ali mit den französischen und den britischen Chargés d’affaires beraten und sie heimlich aufgefordert, ihre Flotten in die Ägäis zu beordern, falls die türkische Hauptstadt vor einem Angriff durch die Russen verteidigt werden musste. Oberst Rose war besonders alarmiert über Menschikows Vorgehen. Er fürchtete, dass die Russen beabsichtigten, den Türken durch die Besetzung der Dardanellen (ein klarer Bruch der Meerengenkonvention von 1841) einen neuen Vertrag von Unkiar Skelessi »oder etwas Schlimmeres« aufzuzwingen. Er glaubte, handeln zu müssen, bevor Stratford Canning zurückkehrte, der den Botschafterposten im Januar aufgegeben hatte, im Februar von der Regierung Aberdeen allerdings erneut ernannt worden war. Am 8. März sandte Rose eine Botschaft per Schnelldampfer an Vizeadmiral Sir James Dundas auf Malta und befahl ihm, sein Geschwader nach Urla bei Izmir zu verlegen. Dundas weigerte sich, dem Befehl ohne eine Bestätigung aus London Folge zu leisten. Dort trat eine Gruppe von Ministern am 20. März zusammen, die später das »innere Kabinett« des Krimkriegs bilden sollten, ** um über Rose’ Gesuch zu diskutieren. Die Minister machten sich Sorgen wegen der russischen Truppenkonzentration in Bessarabien, wegen der »gewaltigen Flottenvorbereitungen in Sewastopol« und wegen der »feindseligen Sprache«, die Menschikow gegenüber der Hohen Pforte verwendete. Russell, der glaubte, dass sich die Russen anschickten, die Türkei zu zerstören, war geneigt, ihre Flotte in den Bosporus vorrücken und die türkische Hauptstadt besetzen zu lassen, damit sich Großbritannien und Frankreich auf die Meerengenkonvention berufen konnten, um einen umfassenden Flottenkrieg gegen Russland im Schwarzen Meer und auf der Ostsee zu beginnen. Unterstützt von Palmerston, hätte Russell die Mehrheit der britischen Bevölkerung hinter sich gehabt. Aber die anderen Minister waren vorsichtiger. Sie hegten Bedenken gegenüber den Franzosen, die sie immer noch für eine militärische Gefahr hielten, und teilten nicht Russells Ansicht, wonach ein anglofranzösisches Bündnis die Herausforderung der britischen Seemacht durch die französische Dampferflotte beseitigen würde. Vielmehr waren sie der Meinung, dass die Franzosen die Russen provoziert hätten, denen man außerdem Zugeständnisse im Heiligen Land machen müsse, und trauten den Beteuerungen von Baron Brunow (»als Gentleman«), dass die Absichten des Zaren weiterhin friedlicher Art seien. Auf dieser Grundlage wiesen sie Rose’ Bitte um ein Geschwader zurück. Bloße Geschäftsträger, so schien es ihnen, dürften keine Flotten anfordern oder über

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