Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Pforte abbrechen, doch er selbst werde noch ein paar Tage länger in der türkischen Hauptstadt bleiben. Als Grund für die Verzögerung nannte er Stürme im Schwarzen Meer, doch in Wirklichkeit hoffte er auf eine Absprache in letzter Minute. Am 21. Mai wurde das russische Wappen schließlich von der Botschaftsfassade entfernt, und Menschikow stach auf dem Schiff Donnerer mit Kurs auf Odessa in See. 19
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Das Scheitern von Menschikows Mission überzeugte den Zaren, dass er zu militärischen Mitteln greifen musste. Am 29. Mai schrieb er Feldmarschall Paskewitsch, dass es ihm, wäre er von Anfang an aggressiver gewesen, vielleicht gelungen wäre, den Türken Zugeständnisse abzunötigen. Er wolle keinen Krieg – denn er habe Angst vor der Einmischung der Westmächte – , doch mittlerweile sei er bereit, mit Krieg zu drohen und das Türkische Reich in seinen Grundfesten zu erschüttern, um sich das zu sichern, was er für die Vertragsrechte Russlands auf den Schutz der Rechtgläubigen halte. Paskewitsch gegenüber offenbarte er seine Gedanken (und seinen Gemütszustand):
Die Folge [von Menschikows Scheitern] ist Krieg. Bevor ich mich damit beschäftige, habe ich beschlossen, meine Soldaten in die [Donau-]Fürstentümer zu schicken – um der Welt vorzuführen, wie weit ich gehen würde, um Krieg zu vermeiden – und den Türken ein letztes Ultimatum zu stellen, damit sie meinen Forderungen innerhalb von acht Tagen nachkommen. Andernfalls werde ich ihnen den Krieg erklären. Mein Ziel ist es, die Fürstentümer ohne Krieg zu besetzen, wenn die Türken uns nicht am linken Ufer der Donau entgegenkommen … Falls die Türken Widerstand leisten, werde ich den Bosporus blockieren und türkische Schiffe auf dem Schwarzen Meer kapern; und ich werde Österreich vorschlagen, die Herzegowina und Serbien zu besetzen. Wenn das keine Wirkung zeitigt, werde ich die Unabhängigkeit der Fürstentümer, Serbiens und der Herzegowina ausrufen – und dann wird das Türkische Reich zu bröckeln beginnen, überall wird es zu christlichen Aufständen kommen, und die letzte Stunde des Osmanischen Reiches wird schlagen. Ich habe nicht vor, die Donau zu überqueren, denn das [Türkische] Reich wird auch so zusammenbrechen, aber ich werde meine Flotte in Bereitschaft halten, und die 13. und 14. Division wird in Sewastopol und Odessa kriegsbereit bleiben. Cannings Handlungen … schrecken mich nicht ab. Ich muss meinen eigenen Weg beschreiten und meine Pflicht meinem Glauben gemäß, wie es der Ehre Russlands gebührt, erfüllen. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr dies alles mich betrübt. Ich bin alt geworden, doch ich möchte mein Leben in Frieden beenden! 20
Der Plan des Zaren war das Ergebnis eines Kompromisses zwischen seinem ursprünglichen Drang, Konstantinopel durch einen Überraschungsangriff (bevor die Westmächte reagieren konnten) zu erobern, und dem vorsichtigeren Denken von Paskewitsch. Dieser hatte die Straffeldzüge gegen die Ungarn und Polen befehligt und war der zuverlässigste Militärberater des Zaren. Paskewitsch war skeptisch gegenüber einer solchen Offensive, weil Russland dadurch in einen europaweiten Krieg verwickelt werden konnte. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden betraf ihre Haltung zu Österreich. Nikolaus setzte übermäßigen Glauben in seine persönliche Verbindung mit Franz Joseph. Er war überzeugt, dass die Österreicher – die er 1849 vor den Ungarn gerettet hatte – in seine Drohungen an die Adresse der Türken einfallen und, wenn erforderlich, an der Teilung des Osmanischen Reiches mitwirken würden. Ebendarum ließ er sich zu einer so aggressiven Außenpolitik hinreißen: Er glaubte, mit Österreich an seiner Seite könne es keinen europäischen Krieg geben, und die Türken würden zur Kapitulation gezwungen sein. Paskewitsch dagegen zweifelte an der österreichischen Unterstützung. Wie er einsah, würden die Österreicher russische Soldaten in den Fürstentümern und auf dem Balkan, wo sie bereits Aufstände vonseiten der Serben und anderer Slawen fürchteten, schwerlich gutheißen. Vielleicht würden sie sich sogar den Westmächten gegen Russland anschließen, wenn diese Rebellionen eintraten und falls die Streitkräfte des Zaren die Donau überschritten.
Paskewitsch, der entschlossen war, die Offensivpläne des Zaren einzuschränken, machte sich dessen panslawistische Fantasien zunutze. Er überzeugte Nikolaus davon, dass russische Soldaten die Fürstentümer lediglich
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