Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Fragen von Krieg und Frieden entscheiden; außerdem habe sich Rose durch »die Unruhe der türkischen Regierung … und die in Konstantinopel kursierenden Gerüchte« beeinflussen lassen, »das Heer und die Flotte Russlands rückten heran«. Die Minister beschlossen, Stratford Cannings Rückkehr in die türkische Hauptstadt abzuwarten, damit er eine friedliche Lösung herbeiführte. 15
Die Nachricht von Rose’ Befehl an Dundas traf am 16. März in Paris ein. In einer Kabinettsitzung, in der die Situation drei Tage später besprochen wurde, malte Außenminister Drouyn de Lhuys das Bild einer bevorstehenden Katastrophe: »Die letzte Stunde der Türkei hat geschlagen, und wir müssen uns auf den Anblick einstellen, dass der Doppeladler [der Romanows] auf den Türmen der heiligen Sophia aufgepflanzt wird.« Drouyn lehnte den Gedanken ab, eine Flotte zu entsenden, zumindest nicht bevor die Briten es taten, um das Land nicht in Europa zu isolieren, das sich vor dem Wiederaufleben des napoleonischen Frankreich fürchtete. Die anderen Minister schlossen sich dieser Meinung an – außer Persigny, der behauptete, Großbritannien »werde frohlocken und sich unserer Seite anschließen«, wenn Frankreich ein Zeichen setze, »um den Marsch Russlands auf Konstantinopel zu stoppen«. Für Persigny stand die nationale Ehre auf dem Spiel. Die Armee, die den Putsch vom 2. Dezember durchgeführt hatte, sei ein »Heer aus Prätorianern«, die ein glorreiches Erbe zu verteidigen hätten. Er warnte Napoleon vor dem, was geschehen werde, wenn er abwarte, wie ihm seine Minister rieten: »Das erste Mal, wenn Ihr an Euren Soldaten vorbeischreitet, werdet Ihr die Gesichter betrübt und die Reihen schweigend sehen, und Ihr werdet spüren, wie der Boden unter Euren Füßen bebt. Wie Ihr gut wisst, müsst Ihr einige Risiken auf Euch nehmen, um die Armee zurückzugewinnen. Und Sie, Messieurs, die Frieden um jeden Preis anstreben, werden in eine schreckliche Feuersbrunst geworfen werden.« An dieser Stelle ließ sich der Kaiser, der gezaudert hatte, von Persigny überzeugen und befahl die Verlegung der Flotte, zwar nicht bis an die Dardanellen, doch nach Salamis in griechischen Gewässern, um die Russen zu warnen, dass »Frankreich an den Ereignissen in Konstantinopel nicht desinteressiert war«. 16
Es gab drei Hauptgründe für seine Entscheidung, die Flotte zu mobilisieren. Erstens gingen, wie Persigny angedeutet hatte, Gerüchte um, dass die Armee einen Umsturz plane, und eine Machtdemonstration war geeignet, derlei im Keim zu ersticken. »Ich muss Euch mitteilen«, schrieb Napoleon im Winter 1852 an Kaiserin Eugénie, »dass ernste Verschwörungen im Heer anstehen. Ich behalte all das im Auge, und ich denke, dass ich einen Ausbruch auf die eine oder andere Art verhindern kann: vielleicht mit Hilfe eines Krieges.« Zweitens legte Napoleon Wert darauf, die französische Flottenmacht im Mittelmeer wiederherzustellen. Denn jeder wusste, um mit den Worten von Horace de Viel-Castel, dem Direktor des Louvre, zu sprechen, dass Frankreich »an dem Tag, da das Mittelmeer zwischen Russland und England aufgeteilt ist, nicht mehr zu den Großmächten zählen wird«. In einem Gespräch mit Stratford Canning, der auf der Reise von London nach Konstantinopel in Paris haltmachte, unterstrich Napoleon die Interessen Frankreichs am Mittelmeer. Stratford schrieb in seiner Notiz über ihre Unterredung am 10. März:
Er sagte, dass er nicht beabsichtige, das Mittelmeer zu einem französischen See zu machen – um einen bekannten Ausdruck zu verwenden – , doch dass es ihm lieb wäre, wenn es zu einem europäischen gemacht würde. Den Sinn dieser Wendung erklärte er nicht. Wenn er meinte, dass die Küsten des Mittelmeers ausschließlich in den Händen der Christenheit sein sollten, dann ist es ein gewaltiger Traum … Mein Eindruck ist der … dass Louis-Napoléon, der sich mit uns gutstellen möchte, jedenfalls vorläufig, bereit ist, in Konstantinopel mit England an einem Strang zu ziehen. Aber es bleibt abzuwarten, ob er die Restauration der türkischen Macht im Auge hat oder lediglich die Folgen ihres Verfalls, um sie später im Interesse Frankreichs zu nutzen.
Vor allem jedoch war es Napoleons Wunsch, »mit England an einem Strang zu ziehen« und ein anglofranzösisches Bündnis aufzubauen, der ihn veranlasste, die Flotte zu mobilisieren. »Persigny hat recht«, teilte er seinen Ministern am 19. März mit. »Wenn wir unsere Flotte nach Salamis schicken,
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