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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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mit Russland ist bedauerlich, doch notwendig und unvermeidlich«, hieß es am 1. Januar 1854 in einem Leitartikel der Union franc-comtoise , denn »wenn Frankreich und Großbritannien der russischen Bedrohung in der Türkei nicht Einhalt gebieten, werden auch sie, wie die Türken, von den Russen versklavt werden«.
    Das Leitmotiv dieser antirussischen Propaganda war »der Kreuzzug der Kultur gegen die Barbarei« – ein Thema, das auch den russlandfeindlichen Bestseller von 1854, Gustave Dorés Histoire pittóresque, dramatique et caricarturale de la Sainte Russie , durchzog. Die Hauptidee von Dorés urtypischer Karikatur – dass die Barbarei Russlands die Quelle seiner Aggressivität bilde – war ein Gemeinplatz der Kriegslobby auf beiden Seiten des Kanals. In Großbritannien begegnete man damit dem Argument von Cobden und Bright, wonach Russland zu rückständig sei, um England anzugreifen. Man startete eine regelrechte Pressekampagne, um aufzuzeigen, dass Russland, eben weil es so rückständig sei, seine Ressourcen durch Gebietserweiterung vergrößern müsse. In Frankreich hatte das Argument einen stärker kulturellen Beiklang und lief auf einen Vergleich zwischen den Russen und den Hunnen hinaus. »Kaiser Nikolaus ist Attila recht ähnlich«, stand Ende Januar 1854 in einem Leitartikel der Zeitung L’Impartial .
    Etwas anderes vorzutäuschen bedeutet, sämtliche Begriffe von Ordnung und Gerechtigkeit auf den Kopf zu stellen. Falschheit in der Politik und Falschheit in der Religion – das verkörpert Russland. Seine Barbarei, die versucht, unsere Kultur nachzuäffen, weckt unser Misstrauen; sein Despotentum erfüllt uns mit Entsetzen … Sein Despotentum mag für eine Bevölkerung geeignet sein, die an der Grenze zum Animalischen entlangkriecht wie eine Herde fanatischer Tiere, aber es ist nicht geeignet für ein kultiviertes Volk … Die Politik von Nikolaus hat in allen zivilisierten Staaten Europas einen Sturm der Entrüstung aufkommen lassen; dies ist die Politik der Vergewaltigung und Plünderung; es ist Banditentum in riesigem Maßstab. 38
    Der ultramontanen Presse zufolge war Russlands Religion die größte Gefahr für die westliche Zivilisation. Falls der Marsch der russischen Heere nach Westen nicht aufgehalten werde, so behauptete sie, würden die Orthodoxen die Christenheit an sich reißen und die Katholiken in einem neuen Zeitalter religiöser Verfolgung zu Sklaven machen. »Wenn wir den Russen gestatten, die Türkei zu erobern«, schrieb der Herausgeber der Union franc-comtoise , »werden wir bald erleben, dass Kosakenwaffen uns allen die griechische Ketzerei aufdrängen. Europa wird nicht nur seine Freiheit, sondern auch seine Religion verlieren … Wir werden zuschauen müssen, wie unsere Kinder über die griechische Glaubensspaltung unterrichtet werden, und die katholische Religion wird in den zugefrorenen Wüsten Sibiriens untergehen, wohin man jene, welche die Stimme zu ihrer Verteidigung erheben, schicken wird.« Der Spectateur de Dijon machte sich die Worte des Kardinals von Paris zu eigen und rief die Katholiken Frankreichs zu einem »heiligen Krieg« gegen die Russen und Griechen auf, damit sie ihr religiöses Erbe verteidigen könnten:
    Russland stellt eine besondere Gefahr für alle Katholiken dar, was keiner von uns missverstehen sollte. Kaiser Nikolaus spricht von Privilegien für die Griechen am Heiligen Grab – Privilegien, die mit russischem Blut erkauft wurden. Jahrhunderte werden vergehen, bevor die Russen auch nur einen Bruchteil des Blutes vergießen, das die Franzosen in den Kreuzzügen für die Heiligen Stätten vergossen haben … Wir müssen dort ein Erbe wahren, ein Interesse verteidigen. Aber das ist nicht alles. Wir werden direkt vom Proselytentum der griechisch-russischen Kirche bedroht. Wir wissen, dass man in St. Petersburg davon träumt, dem Westen eine religiöse Autokratie aufzuerlegen. Dort hoffen sie, uns durch die grenzenlose Expansion ihrer Militärmacht zu ihrer Häresie bekehren zu können. Wenn sich Russland auf dem Bosporus festgesetzt hat, wird es Rom und Marseille gleichermaßen schnell erobern. Ein rascher Angriff würde ausreichen, um den Papst und die Kardinäle zu beseitigen, bevor es jemand verhindern könnte.
    Für die katholische Provinzpresse bot dieser heilige Krieg auch eine Chance, die religiöse Disziplin in der Heimat zu festigen, um dem säkularen Einfluss der Revolution entgegenzuwirken und die Kirche wieder ins Zentrum des nationalen

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