Kris Longknife: Unter Quarantäne: Roman (German Edition)
über den Kopf zu ziehen, aber die Großmutter hielt sie auf. »Warte, bis mein Enkel hinausgegangen ist.«
»Aber Großmutter, sie ist eine Ungläubige. Sie hat keinen Anstand.«
»Aber ich habe Anstand, und ich lasse nicht zu, dass es den Gatten meiner Enkelin nach einem ungläubigen Dschinn gelüstet.« Mit nur einer langen Hose und einem T-Shirt, was auf sechshundert Planeten als anständige Männerkleidung galt, zuckte er die Achseln und verschwand die Treppe hinunter.
Kris zog sich das Gewand über den Kopf, riss den Hüfthalter herunter und arbeitete sich wieder in den durchscheinenden Bodysuit.
»Warum trägt eine respektable Frau so etwas?« Die Großmutter rümpfte die Nase.
»Weil es eine Vier-Millimeter-Kugel auf fünf Schritte stoppt«, antwortete Kris, ohne aufzublicken.
»Oh«, wurde überrascht und vielleicht mit einer Spur Akzeptanz reagiert. »Fürchtest du die Welt so sehr, dass du so etwas tragen musst?«
»Erkennst du sie nicht, Mutter? Einige von uns haben ihr Bild gestern in den Nachrichten gesehen.« Als die Alte nicht antwortete, fuhr ihre Tochter fort: »Sie ist die Prinzessin Longknife, reicher als Ali Baba, mächtiger als …«
»Und derzeit voller Angst auf der Flucht«, unterbrach Kris sie, während sie sich schlängelnd wieder den Hüfthalter anzog. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viel es bedeutet, was Sie heute für mich getan haben.«
Die winzige Frau baute sich vor ihr auf. »Stimmt es, dass du nicht genug Mitgefühl in dir hattest, um diesen sterbenden Menschen oben im Norden den Impfstoff zu geben, den sie brauchen? Dass du, die so reich ist, uns alle in Furcht vor der Ausbreitung der Seuche leben lässt, weil unsere Regierung deiner Forderung nach noch mehr Geld nicht nachkommt? Wenn das stimmt, lebst du wirklich in Armut.«
»Großmutter, ich schwöre Ihnen bei jedem Atemzug, den mein Vater und Großvater für den Rest ihres Lebens holen, dass sie jeden Tropfen dieses Impfstoffs Ihnen und den Menschen dieses Planeten überlassen hätten, ohne einen Penny als Gegenleistung zu erwarten, wenn nicht jemand diesen Impfstoff aus unserem Lager gestohlen hätte«, sagte Kris und starrte in den Netzschleier im Gewand der alten Frau.
Diese half Kris mit ihrem Gewand und bückte sich dann nach dem Wams, das ihr Enkel fallen gelassen hatte. »Ich glaube dir. Welch verdunkelte Seelen man auf diesem Planeten finden muss, damit sie dich bestehlen können und dir, die so mächtig ist, genug Angst einjagen, dass du dich auf diese Art und Weise verkleidest.«
»Und damit ich durch diese Stadt hetze und Menschen wie Sie in die Aufgabe hineinziehe, mich zu schützen«, sagte Kris und steckte derweil ihre Arme durch die entsprechenden Öffnungen der Weste.
»Hier ist deine Mütze«, sagte Tina und reichte sie Kris.
Kris nutzte die Gelegenheit, um die Antenne zu überprüfen. Funktioniert sie noch richtig, Nelly?
Ein wenig lädiert, aber gut genug, um mit den Clowns Schritt zu halten, die uns verfolgen.
Während Kris sich die aus vielen Farben gewebte Mütze auf dem Kopf zurechtrückte, brachte ihr die Großmutter ein Halstuch. »Möge Allah dich segnen und leiten«, sagte sie, legte es Kris um die Schultern und ließ damit eine Prinzessin zurück, die sich wahrhaft gesegnet fühlte.
Sorir tauchte an der Tür zur Treppe auf. Daraus entstand eine Debatte, bei der es Nelly zufolge um die schlechten Angewohnheiten und fehlenden Manieren der Sicherheitsleute ging. Dieses Zimmer im Obergeschoss war nicht die einzige Stelle, wo die Gläubigen ihnen eine ordentliche Lektion in korrekten Umgangsformen erteilt hatten. Was zunächst nach einem langen Gespräch aussah, endete dann schnell wieder, als Sorir vortrat und Kris einen Beutel reichte.
»Abdul wurde nach Hause geschickt. Hier finden Sie Ihre Zimmermädchenuniform, die Handtasche und den Regenmantel. Ich habe auch ein richtiges Kopftuch für Sie beigefügt. Manchmal tragen wir Frauen den Saum so, dass er den Mund verdeckt«, erklärte sie und demonstrierte es ihr. »Kaum jemand würde selbst einem Zimmermädchen des Hilton Fragen stellen, wenn sie das tut. Möge es Ihnen heute helfen.«
Sorir unterbrach sich kurz. »War es all das wert?«
»Sehen Sie sich heute Abend die Nachrichten an«, war alles, was Kris darauf antwortete. Wenn sie das zuwege brachte, was sie plante, konnte nicht einmal Sandfire mehr geheimhalten, was auf den Weltraumdocks geschah.
Andererseits wussten bislang nur sie und Nelly, was dort über ihren
Weitere Kostenlose Bücher