Kris Longknife: Unter Quarantäne: Roman (German Edition)
auch vom Sweatshirt. Mit der linken Hand fischte sie Jacks Messer aus der Hosentasche, während sie Luft in die eigenen Lungen pumpte. Sie klappte das Messer auf, machte zwei Schritte auf dem glitschigen Bordrand, steckte sich das Messer zwischen die Zähne und tauchte in das kalte Wasser, das an die Bootsflanke schwappte.
Nelly, findest du irgendwelche Geräusche?
Schrille Töne, auch Blasen, rechts von dir und weiter unten.
Kris schwamm, kämpfte gegen den Auftrieb des eigenen Körpers, rang mit Angst und protestierenden Lungen, ging für das Mädchen, das auf sie angewiesen war, an ihre Grenzen.
Sie stieß im gleichen Augenblick förmlich gegen die schwarze Masse – ein Taucher in seinem Anzug. Er schwamm mit dem Rücken zu ihr. Schon während Kris nach ihm griff, versuchte er den Weg zurückzuschwimmen, den er gekommen war.
Bei der Nahkampfausbildung hatte der alte Gunny den Kadetten erklärt, der sicherste Weg, mit dem Messer zu töten, bestünde an der Schädelbasis oder durch einen Stich in die Nieren. »Den meisten Menschen fällt es jedoch schwer, ohne auch nur ein Wort der Begrüßung ein Messer in jemanden hineinzustoßen. Die meisten schneiden ihm lieber die Kehle durch. Wenn Sie das zu tun versuchen, lernen Sie ihn vielleicht besser kennen, als Ihnen lieb ist.«
Für Kris war ein Entführer kein Mensch. Sie hielt Jacks Messer zwischen den Zähnen. Sie packte das Atemgerät auf dem Rücken des Mannes, fand Halt und nutzte diesen, um ihm das Messer dort in den Rücken zu stoßen, wo seine rechte Niere sein musste. Eine gewaltige Luftblase entfernte sich von dem Mann. Dann trieb sein Körper dahin, verging in Schmerzen.
Kris steckte sich das Messer wieder zwischen die Zähne und ignorierte den leichten Eisengeschmack. Mit der rechten Hand öffnete sie die Schnellentriegelung seiner Gewichte; mit der linken zog sie ihm die Tauchermaske und das damit verbundene Atemgerät herunter. Vielleicht war noch Leben in den Augen des Mannes, während er zur Oberfläche trieb.
Kris hatte keine weitere Zeit für ihn. Sie lebte allein für sein Opfer.
Sie biss auf das Mundstück, saugte einen herrlichen Atemzug ein, schlang sich die Gewichte um die Taille und versuchte, die Maske vom Wasser darin zu befreien. Nelly, Richtungsangabe!
Rechts unterhalb von dir.
Kris schwamm los, obwohl die Tauchermaske noch immer halb gefüllt war. Jetzt entdeckte sie die Blasen des Gerangels, das sich unterhalb von ihr abspielte. Ein zweiter Taucher rangdarum, Nara das Mundstück eines Atemgeräts zwischen die Zähne zu rammen. Das Mädchen kämpfte mit allem, was es hatte. Vielleicht erkannte sie nicht, dass ihr hier ein Atemgerät angeboten wurde. Vielleicht war sie einfach nicht willens, von ihren Entführern irgendetwas anzunehmen. Was immer der Fall war, Naras Zeit wurde knapp.
Jetzt entdeckte die Taucherin Kris. Ja, der zweite Entführer war eine Frau; sie klemmte sich die immer noch zappelnde Nara unter einen Arm und griff mit der anderen Hand nach einer Handharpune. Kris kannte das Modell: Es versetzte jedem Monster der Tiefe, dem der Mensch auf anderen Planeten begegnet war, einen ausreichenden Stromstoß, um es zu betäuben oder zu töten.
Kris griff nach ihrer Automatik und hoffte, dass diese Luftdruck-Pfeilwaffe auch unter Wasser funktionierte. Sie nahm sie in Anschlag, während die andere Schwimmerin die Harpune auf sie anlegte. Die Entführerin hätte vielleicht schneller abgedrückt als Kris, aber Nara entschied sich für diesen Augenblick, um heftig in den Arm zu beißen, der sie umklammert hielt. Die Harpune feuerte in die falsche Richtung.
Kris drückte dreimal ab. Die Pfeile trafen und erzeugten kleine Nadelstiche an der Vorderseite des Taucheranzugs. Das Wasser verdunkelte sich, als sich das Blut von den Austrittswunden am Rücken darin verteilte. Bestürzung breitete sich im Gesicht der Frau aus, während sie hilflos zuckend den langen Weg zum Seegrund antrat.
Kris befreite sich von dem Bleigürtel und stieß sich mit den Füßen Richtung Nara ab. Das jetzt freie kleine Mädchen rang verzweifelt darum, das Licht über ihr zu erreichen. Kris erreichte sie … und erhielt für ihre Mühen einen Schlag ins Gesicht. Das Kid hatte sich bislang wie ein echter Soldat geschlagen, aber die sengenden Schmerzen in den Lungen musste es schier wahnsinnig machen. Kris nahm das Atemmundstück aus dem Mundund schob es Nara ins Gesicht. Das Mädchen ignorierte es. Obwohl ihr Luft über die Lippen strömte, war sie
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