Krishna-Zyklus 10 - Die Kontinente-Macher
wieder mit etwas ruhigerer Stimme, »und jetzt nehmt eure Stangen und kauert euch hier hinter. Du auch, Yerevats! Ich werde versuchen, sie mit der Armbrust auf Distanz zu halten. Wenn sie uns trotzdem entern, springen wir raus und greifen sie an, sobald ich das Signal dazu gebe. Habt ihr kapiert?«
Das Boot hielt genau auf sie zu und kam rasch näher. Als Borel vorsichtig den Kopf über die Barrikade streckte, konnte er die einzelnen Insassen erkennen. Einer saß im Bug, ein zweiter, wohl der Steuermann, im Heck, und der Rest ruderte. Es waren insgesamt vielleicht zwanzig Personen.
»Es ist Zeit, Bogen zu spannen«, murmelte Yerevats.
Die anderen blickten nervös nach hinten über die Schulter, so als überlegten sie, ob sie nicht vielleicht doch ihr Heil lieber im Fluss suchen sollten als in einem Kampf gegen die bedrohlich näher kommenden Räuber.
»Ich würde lieber nicht versuchen, ans Ufer zu schwimmen«, sagte Borel warnend. »Ihr kennt doch die Ungeheuer, die im Pichide herumschwimmen.« Dies ließ sie nur noch kläglicher dreinblicken.
Borel steckte den Fuß in den Bügel am vorderen Ende der Armbrust und spannte die Waffe mit beiden Händen und einem angestrengten Ächzen. Dann öffnete er das Bandelier, das er zusammen mit dem Bogen erstanden hatte, und nahm einen Pfeil heraus. Es war ein Eisenstab von einer Spanne Länge mit einer Kerbe an einem und einer flachen diamantförmigen Spitze am anderen Ende. Die letztere hatte eine leichte Windung, die dem Geschoß im Flug einen gewissen Drall verlieh. Mit zitternder Hand legte er den Pfeil in die Nut.
Das Boot war jetzt bedrohlich nahe. Der Mann im Bug formte die Hände zu einem Trichter und schrie über das Wasser: »Ergebt euch!«
»Bleibt ganz ruhig!« sagte Borel leise zu seinen Gefährten. Er selbst war inzwischen von einer derartigen Spannung erfüllt, dass er die Erregung schon fast genoss.
Erneut schrie der Mann im Boot: »Ergebt euch, und wir lassen euch ungeschoren! Wir wollen bloß eure Habe!«
Noch immer kam keine Antwort vom Floß.
»Zum letzten Mal! Ergebt euch, oder wir foltern euch alle zu Tode!«
Borel hob die Armbrust und zielte auf den Mann im Bug. Verdammt, warum hatten diese Trottel keine Visiere an ihren blöden Apparaten? Er hatte am Vortag ein paar Übungsschüsse auf ein Blatt Papier gemacht und sich für ganz gut gehalten. Jetzt jedoch schien sein Ziel jedes Mal auf Mückengröße zusammenzuschrumpfen, sobald er versuchte, es aufs Korn zu nehmen; außerdem musste da irgendwas sein, das das Floß so heftig schaukeln ließ – wieso sonst wackelte dieses verdammte Mistding von einer Armbrust ständig hin und her?
Der Mann im Bug des Bootes hielt jetzt ein Ding in der Hand, das von weitem aussah wie ein kleiner Anker mit ein paar zusätzlichen Flügeln und das am Ende eines langen Taus festgebunden war. Er ließ ein Stück von dem Tau nach, schwenkte das Ding ein paar Mal hin und her und ließ es dann über dem Kopf kreisen, während die Ruderer mit kräftigen Zügen auf das Floß zuhielten.
Borel schloss die Augen und krümmte den Finger. Mit einem lauten Schnappen löste sich die Sehne aus der Kerbe, und der Schaft stieß ihm hart gegen die Schulter. Einer der Flößer stieß einen heiseren Jubelruf aus.
Als Borel die Augen wieder aufschlug, hatte der Mann im Bug des Bootes aufgehört, den Enterhaken kreisen zu lassen. Statt dessen schaute er nach hinten zum Heck, wo es den Steuermann erwischt hatte. Borel reckte den Kopf etwas höher und sah, dass er platt auf dem Boden des Bootes lag. Die Ruderer saßen auf ihre Riemen gestützt und plapperten aufgeregt durcheinander.
»Großer Meister treffen Räuberhauptmann!« rief Yerevats in kindlicher Begeisterung. »Besser Bogen wieder spannen.«
Borel erhob sich, um diesem Rat zu folgen. Offensichtlich hatte er den Mann verfehlt, auf den er gezielt hatte, und statt dessen den Mann im Heck erwischt. Er zog es jedoch vor, dies nicht verlauten zu lassen, um seinen Diener bezüglich seiner Schießkünste nicht zu desillusionieren.
Mittlerweile hatte einer der Ruderer den Posten des Steuermannes übernommen, und das Boot nahm wieder Fahrt auf. Diesmal standen zwei Krishnaner im Bug: der eine mit dem Enterhaken, der andere mit einem Bogen.
»Runter mit den Köpfen!« schrie Borel ihnen zu und schoss auf den Bogenschützen. Der Pfeil flog weit über den Kopf des Mannes hinweg. Borel wollte gerade aufstehen, um seine Waffe neu zu spannen, als ihm bewusst wurde, dass er auf diese
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