Krishna-Zyklus 10 - Die Kontinente-Macher

Bestandteil des Rades – welcher indes dem Publikum verborgen blieb – war eine kleine Rolle an der Achse, um die ein feiner, aber starker Faden aus Shomalschwanzhaaren lief, der von dem Rad in die Kulissen führte und dort in der Hand Zerdais endete. Borel hatte seine gesamte Überredungs- und Verführungskunst aufbieten müssen, um sie dahin zu kriegen, diese Rolle zu übernehmen.
    Er räusperte sich und begann mit seiner vorbereiteten Rede: »… was ist das Ziel und die Funktion unseres edlen Ordens? Macht! Und was ist die Grundlage von Macht! Als erstes die Kraft unserer eigenen starken Arme; zweitens der Reichtum des Ordens, welcher sich wiederum herleitet aus dem Reichtum der Gemeinen. Woraus logisch zu folgern ist, dass alles, was den Reichtum der Gemeinen mehrt, unsere Macht vergrößert. Lasst mich einmal ein Beispiel anführen: Wie ich hörte, gibt es eine Schienenbahn längs der Küste von Majbur nach Jazmurian, die von Bishtars gezogen wird. Stellt euch nun vor, ich stelle eines meiner Räder auf einen der Waggons und verbinde es mit einem Riemen oder einer Kette mit den Rädern des Waggons. Was passiert nun, wenn ich mein Rad in Bewegung setze? Nun, der Waggon mit dem Rad setzt sich in Bewegung, und zwar mit solcher Kraft, dass er weit mehr andere Waggons ziehen kann als der stärkste Bishtar. Außerdem wird er niemals alt und stirbt wie ein Tier, er läuft niemals Amok und zerstört wertvolles Eigentum, und wenn er nicht gebraucht wird, steht er still in seinem Schuppen, und niemand braucht ihn zu füttern oder sich sonst um ihn zu kümmern. Wir könnten eine Bahn von Mishe nach Majbur bauen und eine zweite von Mishe nach Jazmurian. Auf diese Weise könnten wir rascher Güter zwischen den Küstenstädten transportieren, als es bisher über die direkte Route der Fall ist. Somit verfügen wir über eine Quelle unermesslichen Reichtums, an dem der Orden selbstverständlich seinen gebührenden Anteil hätte.
    Nun zur Frage der Waffen. Ich kann jetzt nicht allzu sehr in die Einzelheiten gehen, weil diese teilweise streng vertraulich sind, aber ich kann euch vorab sagen, dass ich Kontakte zu Erdbewohnern habe, die bereit wären, die mächtigen Waffen des Interplanetarischen Rates gegen das Geheimnis dieses kleinen Rades herzugeben. Ihr wisst, was das bedeuten würde. Denkt darüber nach.
    Und nun will ich euch zeigen, wie das Rad funktioniert. Das Modell, welches ihr hier seht, ist kein richtiges Arbeitsrad, sondern bloß ein Spielzeug, eine Imitation, die euch eine ungefähre Vorstellung von dem noch zu bauenden richtigen Rad geben soll, das natürlich erheblich größer sein würde. Dieses kleine Rad hier gibt nicht genug Kraft – oder Energie, wie die Erdbewohner sagen –, um etwas anzutreiben. Warum? Das Zauberwort lautet ›Reibung‹. Die geheimnisvollen Wissenschaften meines Heimatplaneten entdeckten vor Jahrhunderten, dass die Reibung in kleinen Maschinen proportional größer ist als in großen. Daher ist die Tatsache, dass dieses kleine Rad keine verwendbare Energie abgibt, der Beweis dafür, dass ein größeres es sehr wohl würde. Trotzdem entwickelt dieses kleine Rad immer noch genügend Energie, um sich selbst anzutreiben, ohne äußere Hilfe.
    Und nun schaut genau her, Brüder, und passt gut auf! Ich löse jetzt die Bremse, die das Rad am Drehen hindert. Und nun haltet den Atem an – seht, es bewegt sich! Es dreht sich! Das Geheimnis von Jahrhunderten erwacht vor euren Augen zum Leben!«
    Er hatte Zerdai ein Zeichen gegeben, woraufhin diese begann, den Faden gleichmäßig mit der einen Hand einzuholen und mit der anderen nachzulassen. Das Rad drehte sich langsam, die kleinen Messingbeine machten Klick-klick-klick, sobald sie den Scheitelpunkt erreichten und vornüber gegen die Sperre kippten.
    »Seht!« brüllte Borel mit messianischem Tremolo in der Stimme. »Es funktioniert! Es lebe die Zukunft! Es lebe der Orden!«
    Nachdem er das Rad etwa eine Minute hatte laufen lassen, fuhr er fort, nun wieder in gemäßigterem Ton: »Brüder, was müssen wir tun, um diese wunderbare Erfindung für unsere Zwecke nutzbar zu machen? Zu allererst brauchen wir Geld, damit wir eine Reihe von Versuchsrädern bauen können, die wir für die verschiedensten Anwendungsgebiete ausprobieren werden: als Antrieb für Schiffe und Schienenfahrzeuge, für Kornmühlen und für die Maschinen in Werkstätten. Keine Maschine ist jemals vollkommen, wenn sie zum ersten Mal gebaut wird; es gibt immer Details, die der