Krishna-Zyklus 10 - Die Kontinente-Macher
der, der Sir Shurgez’ Geliebte getötet hat.«
»Wieso? Ich dachte, Zerdai sei Sir Shurgez’ Geliebte!«
»Das war sie auch, aber erst danach. Am besten, ich erzähle Euch die Geschichte ganz von vorn. Also, zuerst waren Sir Zamrán und Lady Fevzi ein Liebespaar – ganz offiziell und entsprechend den Regeln des Ordens. Aus irgendeinem Grund gab Lady Fevzi Zamrán den Laufpass – was ihr gutes Recht war – und nahm sich Sir Shurgez an seiner Stelle. Dies wiederum brachte Sir Zamrán in Wut, und statt seine Niederlage wie ein echter Ritter mit philosophischer Gelassenheit hinzunehmen, was macht dieser Hitzkopf? Taucht auf dem Festball zur Feier der Konjunktion der Planeten Vishnu und Ganesha ganz plötzlich hinter Lady Fevzi auf und schlägt ihr den Kopf ab, just in dem Augenblick, als sie dem Großmeister eine selbstgebackene Pastete überreicht!«
»Wow!« machte Borel mit ehrlichem Schauder.
»In der Tat – es war gewiss keine ritterliche Tat, besonders vor den Augen des Großmeisters, ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten, die es machte, den Teppich wieder sauberzukriegen. Wenn er sie schon unbedingt umbringen musste, dann hätte er sie wenigstens nach draußen bringen sollen. Der Großmeister, verständlicherweise verärgert, will Zamrán für sein ungebührliches Benehmen einen strengen Verweis erteilen, aber er hat kaum den Mund geöffnet, als Shurgez hereinkommt, um nach seiner Liebsten zu schauen. Er sieht, was geschehen ist, stürzt sich auf Zamrán und erdolcht ihn, ehe überhaupt einer schalten und ihm in den Arm fallen kann. Da hatten wir nun also gleich zwei Flecken auf dem Teppich, und der Großmeister war außer sich vor Wut. Das Ergebnis war, dass er Shurgez auf besagte Mission schickte, um ihn zu lehren, seine Duelle in Zukunft in gebührender Form – mit Fehdehandschuh und so weiter – anzutragen, statt wie ein Wilder auf jeden, dessen Name ihm nicht passt, mit dem Messer loszugehen. Ohne Zweifel hat der Großmeister dabei auch den Hintergedanken gehabt, dass Shurgez bei der Ausführung der Mission umkommen könnte; der König von Balhib ist nämlich nicht gerade ein Weichling.«
Borel war sich spätestens jetzt ganz sicher, dass nichts ihn je dazu kriegen würde, sich unter derart gewalttätigen Menschen auf Dauer niederzulassen. »Wann hatte denn Shurgez dann überhaupt noch Zeit, sich – eh – mit Zerdai nähere Bekanntschaft zu schließen?«
»Nun, er konnte erst aufbrechen, als die Sterne für sein Unternehmen am günstigsten standen, das heißt, nach einundzwanzig Tagen, und während dieser Zeit kam er in den Genuss der Gunst meiner Sekretärin. Ferne Länder übten schon immer einen ungeheuren Reiz auf sie aus, und ich glaube, sie wäre mit ihm gegangen, wenn er gewollt hätte.«
»Welche Nachricht gibt es bisher von Shurgez?«
»Die einfachste Nachricht überhaupt, nämlich gar keine. Sollte er zurückkehren, dann werden meine Späher mich sofort in Kenntnis setzen, noch bevor er hier ist.«
Erst jetzt merkte Borel, dass das klappernde Geräusch, das ihn schon die ganze Zeit über irritiert hatte, von seinen eigenen Zähnen stammte. Er beschloss, Henjare gleich am nächsten Tag Dampf zu machen, damit das Modell möglichst bald einsatzbereit war.
»Noch eine Frage. Was wurde eigentlich aus Lady Fevzis Pastete?« Diese Frage konnte ihm Kubanan freilich nicht beantworten.
Das Modell war seiner Vollendung so nahe, dass Borel den Großmeister bitten konnte, die Demonstration für den darauf folgenden Tag anzusetzen. Eigentlich hatte ihm eine festliche Abendgala vorgeschwebt, in weinseliger, kulinarischer Atmosphäre und mit dementsprechend zufriedenen Gesichtern, aber zu seinem Leidwesen war die einzige freie Stelle im Terminplan des Großmeisters der Vormittag.
»Wenn Ihr es natürlich vorzieht, Bruder Felix, noch ein paar Tage mit Eurer Demonstration zu warten …«, sagte Sir Juvain.
»Nein, nein, es ist schon in Ordnung so, höchst erhabener Potentat«, beeilte sich Borel zu sagen, der dräuenden Gefahr Shurgez eingedenk. »Je früher, desto besser für Euch, für mich, und für den Orden.«
So geschah es, dass am Morgen des darauf folgenden Tages gleich nach dem Frühstück Felix Etienne Borel auf der Bühne des Hauptauditoriums der Zitadelle stand und in die erwartungsvoll gespannten Gesichter von mehreren tausend Rittern des Ordens von Qarar schaute. Neben ihm auf einem kleinen Tisch stand das funkelnde neue Messingmodell des Perpetuum-Mobile-Rades. Ein
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