Krishna-Zyklus 10 - Die Kontinente-Macher
doch gütlich regeln. Borel hatte selbst schon öfter in solchen Situationen gesteckt und fand es unverständlich, wie man sich wegen eines kleinen Liebesklüngels derart aufregen konnte.
Vom anderen Ende des Feldes her näherte sich jetzt ein zweiter Reiter, ähnlich ausgerüstet wie der erste, jedoch mit weißen Sattel- und Panzerverzierungen anstelle der roten. Die beiden trafen sich exakt in der Mitte des Feldes, machten eine Vierteldrehung, so dass sie mit dem Gesicht zur Loge des Großmeisters standen, und ritten nebeneinander nach vorn zu besagter Loge. Der Großmeister hielt eine Rede, von der Borel kein Wort verstehen konnte, und als er fertig war, machten die beiden Ritter kehrt und trabten auf ihre Seite des Feldes zurück. Borel, der nicht weit von Volhajs Zelt stand, konnte beobachten, wie dessen Schildknappen oder Sekundanten – oder wie immer man die Burschen bezeichnen sollte – ihm eine Lanze und einen kleinen Rundschild hinaufreichten.
Erneut schmetterte die Trompete, und die beiden Kontrahenten sprengten in vollem Galopp aufeinander los. Borel zuckte unwillkürlich zusammen, als sie in der Mitte des Feldes mit lautem Geschepper aufeinander prallten. Als Borel die Augen wieder öffnete, sah er, dass der rote Ritter aus dem Sattel geflogen war und durch das Gras rollte. Sein Aya galoppierte ohne ihn weiter, während der weiße Ritter sein Tier abbremste, wendete und zurück zu seinem Ausgangspunkt galoppierte.
Inzwischen hatte Volhaj sich unter der Last seiner eisernen Rüstung mühevoll aufgerafft und stapfte klirrend zu der Stelle zurück, wo seine Lanze lag. Er hob sie auf, und als Shusp erneut auf ihn zugaloppiert kam, rammte er das stumpfe Ende in den weichen Erdboden und zielte mit der Spitze genau auf die ungepanzerte Brust des heranstürmenden Aya. Borel konnte zwar nicht sehen, wie der Speer hineinfuhr, aber dass er es tat, war spätestens zu merken, als der Aya brüllend hochstieg, seinen Reiter in hohem Bogen aus dem Sattel warf und wild zuckend zusammenbrach. Borel, der ein stark ausgeprägtes Mitgefühl für die geschundene Kreatur hegte, dachte empört, dass es so etwas wie einen interplanetarischen Tierschutzverein geben müsse, der gegen derartige Tierquälerei entschieden vorgehen müsse.
Die Menge hielt es jetzt nicht mehr auf den Stühlen. Begeisterte Anfeuerungsrufe für den jeweiligen Favoriten flogen hin und her, und Borel hatte alle Hände voll zu tun, um Zerdai vor den Knüffen und Püffen seiner johlenden Nebenleute abzuschirmen. Als er sein Augenmerk wieder auf das Kampfgeschehen richtete, gingen die beiden Kontrahenten gerade zu Fuß aufeinander los, Shusp mit einem riesigen Zweihandschwert, Volhaj mit seinem Schild und einem Schwert von normaler Größe.
Sie umkreisten einander stechend, hauend, duckend und parierend, wobei sich das Kampfgeschehen unmerklich auf das Ende des Feldes hin verlagerte, wo Borel stand. Bald waren sie so nahe heran, dass Borel die Kerben in ihren Rüstungen und das Blut erkennen konnte, das von Sir Volhajs Kinn heruntertropfte. Mittlerweile waren die beiden so erschöpft, dass das ganze eher einem Ringkampf im Zeitlupentempo glich. Hin und wieder schaffte es einer von beiden, sich von seinem Gegner zu lösen und einen kraftlosen Hieb anzusetzen, den der andere jedoch ohne große Mühe parieren konnte. Manchmal standen sie sekundenlang schweratmend da und starrten sich hasserfüllt an, unfähig, zum entscheidenden Schlag auszuholen.
Doch dann, ganz plötzlich, mitten in einem Schlagabtausch, segelte Sir Volhajs Schwert hoch in die Luft, drehte sich mehrmals im Flug und landete direkt vor Shusps Füßen. Sir Shusp stellte sofort seinen Fuß darauf und trieb Sir Volhaj mit ein paar Rundumschlägen seiner brecheisenähnlichen Klinge zurück. Dann bückte er sich blitzschnell, hob das Schwert auf und warf es mit aller Kraft von sich.
»He! Darf er das überhaupt?« fragte Borel Zerdai.
»Ich weiß es nicht. Es gibt nur wenige Regeln, aber vielleicht verstößt das gegen eine davon.«
Shusp stürmte nun mit neu erwachter Kraft auf Sir Volhaj los, der jetzt bis auf seinen völlig zerbeulten Schild und einen kleinen Dolch wehrlos war. Immer weiter wich er unter den mächtigen Hieben seines Gegners zurück und versuchte, so gut er konnte, diese zu parieren.
»Warum schmeißt er seinen Schild nicht weg und rennt davon?« fragte Borel erregt.
Zerdai starrte ihn ziemlich verständnislos an. »Wisst Ihr denn nicht, dass für einen Ritter des
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