Kristall der Macht
zweifeln?« Triffin zog eine Augenbraue in die Höhe.
»Nun, immerhin hast du eben Verhandlungen vorgeschlagen.«
»Um Leben zu retten.«
»Wirklich?« Rivanons Stimme nahm einen lauernden Tonfall an. Er kam noch näher und fragte leise: »Weißt du, was ich denke?«
»Nein, aber du wirst es mir sicher gleich verraten.« Triffin gab sich gelassen, war jedoch auf der Hut. Der Fürst war nicht zu unterschätzen.
»Ich glaube, du erzählst uns nicht die ganze Wahrheit«, sagte der Fürst auf eine Weise, die verriet, dass er sich schon länger mit dem Gedanken trug. »Niemand außer dir hat bisher eine Botschaft von Arkon zu Gesicht bekommen. Niemand weiß, ob die von dir genannten Zahlen richtig sind.«
»Was willst du damit sagen?« Triffin horchte auf.
»Nun, du behauptest etwas, bleibst uns den Beweis dafür aber schuldig. Was, wenn die Rakschun gar nicht so stark sind? Wenn der Angriff gar nicht unmittelbar bevorsteht? Wenn das alles nur ein verlogenes Spiel ist, um Azenor an den Verhandlungstisch zu zwingen? Oder schlimmer noch, ihn dazu zu bewegen, sich den Barbaren kampflos zu ergeben?«
»Wenn du darauf bestehst, kann ich dir eine Nachricht zeigen«, erwiderte Triffin ruhig. »Aber du wirst nicht viel daraus erlesen können, denn sie ist in einem verschlüsselten Kodex verfasst, den nur die Kommandanten der Truppen entschlüsseln können.«
Fürst Rivanon räusperte sich. »Ich muss sagen, all diese Geheimnisse dienen nicht gerade dazu, aufkommendem Misstrauen entgegenzuwirken – findest du nicht?«
»Sie dienen allein dazu, Arkon zu schützen und unseren Plan vor den Rakschun zu verbergen.«
»Natürlich … Das klingt einleuchtend, aber ganz wohl fühle ich mich damit nicht, denn es bringt uns alle hier in eine … sagen wir, recht unglückliche Abhängigkeit von dir.« Fürst Rivanon machte eine bedeutungsvolle Pause, nahm einen tiefen Atemzug, als müsse er erst Kraft schöpfen für das, was er sagen wollte, und fuhr dann fort: »Woher weiß ich, dass Arkon da drüben wirklich zum Wohle Baha-Uddins handelt und nicht allein zu deinem? Wer sagt mir, dass er nicht insgeheim schon Verhandlungen mit den Anführern der Rakschun aufgenommen hat und mit ihnen die Bedingungen für eine Kapitulation aushandelt? Eine Kapitulation zu deinen Gunsten natürlich.« Er verstummte und schaute den General herausfordernd an. »Was haben sie dir versprochen, damit du ihnen deine Heimat ans Messer lieferst?«, fragte er provozierend. »Gold? Einen Statthalterposten? Oder ein Zelt voll bezaubernder Gebärfrauen, die dir …«
»Schweig!« Ein wuchtiger Faustschlag ins Gesicht beendete Rivanons denunzierendes Geschwätz auf ebenso eindrucksvolle wie schmerzhafte Weise und ließ ihn zurücktaumeln. »Behalte deine niederträchtigen Gedanken für dich.« Triffins ruhige Stimme stand in krassem Gegensatz zur Härte des Schlags. »Ich bin kein Verräter.« Er wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber noch einmal um und richtete das Wort erneut an den Fürsten, der sich die schmerzende Wange rieb. »Wir waren nie Freunde, Rivanon, und wir werden es auch nie werden«, sagte er, den Fürsten mit dem gesunden Auge fixierend. »Mit diesen haltlosen Unterstellungen hast du in mir das Einzige zerstört, was ich je für dich empfunden habe: Respekt. Ich denke, wir beide haben uns nichts mehr zu sagen.«
Er drehte sich um und ging auf die Treppe zu, aber Rivanon war noch nicht fertig: »Ich behalte dich im Auge, General«, rief er Triffin mit zornesbebender Stimme nach. »Den König kannst du vielleicht täuschen. Mich nicht.«
3. Buch
Die Macht der Kristalle
1
»Den Menschen hier muss es wirklich sehr schlecht gehen.« Betroffen sah Noelani von der Wehrmauer des Palastes auf den Platz hinunter, wo sich etwa zweihundert Flüchtlinge eine heftige Auseinandersetzung mit den Palastwachen lieferten. Sie waren in der Überzahl, hatten aber gegen die bewaffneten und gut ausgebildeten Wachen keine Aussicht, sich durchzusetzen. Unzählige lagen verletzt am Boden, und es gab auch einige Tote, aber das hielt die anderen nicht davon ab, ihrer Wut weiter lautstark rufend und Steine werfend Luft zu machen.
»Sind sie wirklich so wütend, weil man sie nicht bei den Truppen aufgenommen hat?«, fragte Noelani verwundert. An der Seite von Kaori hatte sie das Gespräch der beiden Männer belauscht, die sich offensichtlich nicht über das weitere Vorgehen hinsichtlich der erwarteten Schlacht einig waren. Das Einzige, worin sie einer
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