Kristall der Macht
anderen Seite des Flusses war, aber sie sagte nichts und grüßte höflich.
»Was gibt es so Wichtiges, dass Ihr mich sprechen wollt?«, knurrte Triffin grußlos und so übellaunig, dass Noelani fast schon der Mut verließ. Für einen Moment überlegte sie, ob sie das Richtige tat, dann straffte sie sich und sagte: »Ich bin betrogen worden.«
»Das müsst Ihr mit dem ehrwürdigen Fürsten Rivanon besprechen«, murmelte Triffin verächtlich. »Ich habe damit nichts zu tun.«
»Das weiß ich.« Noelani ließ sich nicht beirren. »Sonst hätte er dir sicher nicht das Schlafmittel in den Wein geschüttet.«
»Ihr wisst davon?« Zum ersten Mal blitzte so etwas wie Interesse in Triffins Augen auf.
»Davon und von noch vielem mehr«, sagte Noelani, ohne weiter auf die Frage einzugehen. »Und ich kann dir sagen, dass ich darüber nicht glücklich bin.«
»Ich auch nicht.« Triffin seufzte. »Die Götter sind meine Zeugen, dass ich Euch nicht so schändlich hintergangen hätte. König Azenor selbst schmiedete den Plan, um die Rakschun zu besiegen. Rivanon war dabei nur sein ergebener Handlanger.« Er schenkte sich noch etwas Wein ein, nahm einen großen Schluck und sagte: »Ich habe es gesehen. Ich war drüben und habe mit eigenen Augen gesehen, welch mächtige Magie die Kristalle zu wirken vermögen. Es ist unfassbar! Wir haben gesiegt und dabei keine eigenen Verluste zu beklagen. Ich sollte glücklich sein, so wie die anderen, aber ich bin es nicht. Es ist ein Sieg ohne Ehre, und ich schäme mich dafür.«
»Ich auch.« Noelani nickte. »Wenn ich könnte, würde ich alles ungeschehen machen, und bei den Göttern, das werde ich.«
»Ihr wollt es ungeschehen machen?« Triffin lachte hart. »Wie denn? Die Rakschun sind tot. Alle. Ihr mögt eine mächtige Magierin sein, eine Göttin aber seid Ihr nicht.«
»Wäre ich das, stünde ich jetzt nicht hier, um dich um Hilfe zu bitten«, griff Noelani Triffins Worte geschickt auf.
»Warum?«
»Um den Kriegern Einhalt zu gebieten, die im Lager der Rakschun damit begonnen haben, die Steinfiguren der Rakschun zu zerstören.«
»Ist das wahr?« Triffin erhob sich entrüstet und schaute Jamak fragend an.
»Leider ja.« Jamak nickte. »Der Hass und die Wut einiger weniger scheinen so groß zu sein, dass sie sich an den Steinfiguren vergehen.«
»Bei den Göttern, ich muss sie aufhalten.« Plötzlich hatte Triffin es eilig. »Der König wird bald hier eintreffen. Er hat befohlen, dass das Lager der Rakschun zur Mahnung und Abschreckung der Feinde Baha-Uddins unversehrt stehen bleiben soll.«
»Das klingt, als hätte der König viele Feinde«, bemerkte Jamak trocken.
»Sagen wir mal so: Viele Freunde hat er nicht.« Triffin begleitete Jamak und Noelani nach draußen. Dort verabschiedete er sich knapp und machte sich unverzüglich auf den Weg zum Gonwe.
»Mir scheint, wir haben ihm einen großen Dienst erwiesen«, meinte Jamak.
»Nicht nur wir ihm.« Noelani lächelte versonnen. »Er uns auch. Viel mehr, als er ahnt. Und ich musste ihn nicht einmal darum bitten.«
* * *
Während Noelani und Jamak in ihr Zelt zurückkehrten, machte Triffin sich auf den Weg zum Gonwe, wo inzwischen unablässig Flöße von einem Ufer zum anderen fuhren, um Krieger und Gerätschaften ins Lager der Rakschun und die erbeuteten Waffen von dort ins eigene Lager zu schaffen.
Er hatte Glück. Als er das Ufer erreichte, legte gerade ein Floß ab. Ein gewagter Sprung brachte ihn an Bord, und keine zehn Minuten später hatte er das gegenüberliegende Ufer erreicht.
Als er das Lager betrat, sah er sofort, wovon Noelani gesprochen hatte. Ein versteinerter Rakschun war umgestürzt und zertrümmert worden. Einem anderen fehlte der Kopf. Der Anblick machte Triffin wütend. Hatte Rivanon den königlichen Befehl etwa nicht erhalten? Oder ließ er sich absichtlich Zeit, diesen zu verkünden? Was auch immer der Grund sein mochte, die sinnlose Zerstörung konnte nicht geduldet werden.
Entschlossen, dem ein Ende zu bereiten, rief Triffin die umstehenden Krieger zusammen. »Im Namen unseres geliebten Königs Azenor erreichte mich heute folgender Befehl«, verkündete er. »Dieses Lager muss unversehrt erhalten bleiben. Das gilt vor allem für die steinernen Krieger. Als ein Mahnmal sollen sie jene abschrecken, die sich heute und in Zukunft mit dem Gedanken tragen, die Waffen gegen Baha-Uddin zu erheben. Ihr Anblick wird dafür sorgen, dass die Allmacht unseres Königs weithin bekannt und gefürchtet
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