Kristall der Macht
wird, auf dass Baha-Uddin niemals wieder einen solchen Krieg erleben muss.«
Dass sich der Befehl schnell herumsprechen und Wirkung zeigen würde, daran zweifelte er nicht. König Azenor war bei seinen Männern nicht weniger gefürchtet als die Rakschun. Niemand würde es wagen, seinem Willen zuwiderzuhandeln, und so konnte Triffin sich kaum eine Stunde nach seiner Ankunft schon wieder auf den Rückweg machen.
Bei den Flößen angekommen, entdeckte er zwei Krieger, die einen Gefangenen mit sich führten und offensichtlich auf ihn gewartet hatten. »General Triffin!«, rief der eine ihn an, während er ihm entgegeneilte. »Wartet!«
»Was gibt es?« Triffin blieb stehen.
»Verzeiht, General, dass wir Euch stören«, sagte der Krieger, »aber wir haben hier einen Gefangenen, der offenbar im Geiste gestört ist.« Er verstummte, als wisse er nicht, ob er weitersprechen sollte. Dann sagte er: »Er behauptet, Prinz Kavan zu sein.«
»Prinz Kavan?« Triffin versuchte, sich sein Erstaunen nicht anmerken zu lassen. Er war der Einzige, der wusste, dass Prinz Kavan entgegen aller anders lautenden Nachrichten vermutlich am Leben war, und entschied, dass dies auch noch eine Weile so bleiben sollte. »Das kann nicht sein.«
»Er verlangt Euch zu sprechen.« Mit einem Kopfnicken deutete der Krieger auf den Gefangenen, der in respektvollem Abstand bei dem zweiten Krieger wartete.
»Also schön.« Triffin seufzte. »Bring ihn her.«
Ein Fingerzeig des Kriegers genügte, und sein Kamerad setzte sich mit dem Gefangenen in Bewegung.
»Ist er das?«, fragte Triffin betont missmutig, als die beiden ihn erreichten. Trotz des Bartes, der langen verfilzten Haare und der schmutzstarrenden Kleidung erkannte er Prinz Kavan sofort, ließ es sich aber nicht anmerken.
»Ja.« Der Krieger nickte.
»Du behauptest also, Prinz Kavan zu sein«, richtete Triffin das Wort an den Gefangenen.
»Ich behaupte es nicht nur, ich bin es – General«, erwiderte der Gefangene selbstbewusst.
»Prinz Kavan ist tot«, sagte der Krieger, aber Triffin ermahnte ihn mit einem strengen Blick zu schweigen. »Warum sollte ich dir das glauben?«, fragte er.
»Weil die Leiche des Prinzen nie gefunden wurde«, erklärte der Gefangene. »Er ist verschollen, aber nicht tot. Und nun steht er vor dir, denn er lebte all die Monate unerkannt als Sklave unter den Rakschun.«
Triffin sagte nichts. Er legte die Hand ans Kinn und musterte Kavan prüfend von oben bis unten, als müsse er sein weiteres Vorgehen erst noch abwägen. »Nun ja, eine gewisse Ähnlichkeit lässt sich nicht leugnen«, sagte er schließlich und fügte hinzu: »Ein Bad, ein Bartscherer und ein Verhör dürften rasch Klarheit bringen.«
»Frag mich jetzt!«, verlangte der Gefangene. »Irgendetwas, das nur der Prinz wissen kann.«
»Nicht hier.« Triffin schüttelte den Kopf und streckte die Hand nach dem Strick aus, mit dem Kavan gefesselt worden war. »Gib mir das Seil«, forderte er den Krieger auf, der das Ende in den Händen hielt. »Ich nehme ihn mit.«
»Sollen wir Euch nicht begleiten?«, fragte der Krieger, während er Triffin das Seil reichte. »Nur für den Fall, dass …«
»Nicht nötig. Mit einem halb verhungerten und gefesselten Sklaven werde ich schon noch allein fertig.« Triffin fasste das Seil kurz und gab dem Gefangenen mit einem Ruck zu verstehen, dass er sich in Bewegung setzen sollte. Gemeinsam gingen sie zum Flussufer, wo gerade ein Floß zur Abfahrt bereitlag. »General, ich …«
»Nicht jetzt!« Triffin schüttelte den Kopf, vermied es aber, Kavan anzusehen. »Du bist mein Gefangener«, zischte er mahnend. Dann nickte er den Kriegern zu, die salutierten, als er das Floß betrat.
»Wer ist das?«, wollte der Hauptmann wissen, dem die Verantwortung für das Floß oblag.
»Ein Sklave der Rakschun, der verhört werden soll.«
»Gut.« Dem Hauptmann schien das zu genügen. Er ließ Triffin mit dem Gefangenen passieren. Dieser suchte sich einen Platz in der Mitte des Floßes, wo Kisten mit Schwertern und Pfeilspitzen aufgestapelt worden waren, und setzte sich.
Der Gefangene tat es ihm gleich.
Das Floß legte ab. Zehn Krieger waren nötig, um die schwer beladene Holzplattform an einem vorgespannten Seil über den Gonwe zu ziehen. In der Mitte des Flusses war die Strömung so stark, dass sie fast mit einem entgegenkommenden Floß zusammenstießen. Allein dem beherzten Eingreifen von vier weiteren Kriegern, die die Flöße mit langen Stangen auf Abstand hielten, war es
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