Kristall der Macht
zu verdanken, dass kein Unglück geschah.
»Arkon ist tot.« Der Gefangene schaute Triffin von der Seite her an.
Die Nachricht versetzte dem General einen Stich. Gern hätte er mehr erfahren, aber er wollte nicht den Eindruck erwecken, mit einem Gefangenen zu plaudern. So starrte er weiter auf den Fluss hinaus, als hätte er nichts gehört. Kavan schien das Verhalten richtig zu deuten, denn er sagte im Flüsterton: »Sie hatten eine Taube abgefangen und wollten von ihm wissen, was die Botschaft bedeutet. Er hat nichts verraten.«
»Ein tapferer Mann.«
»Und ein guter.« Der Gefangene nickte zustimmend.
Für den Rest der Überfahrt schwiegen beide. Die neugierigen Blicke der Krieger folgten ihnen, als sie vom Floß an Land und durch das Lager zu Triffins Zelt gingen. »Lass niemanden ein!«, ermahnte der General den Posten vor dem Eingang, froh, die Plane endlich schließen zu können. Dann waren sie allein.
»Wann hast du es gewusst?«, fragte Kavan scheinbar zusammenhangslos, während er sich setzte und die gefesselten Hände so auf den Tisch legte, dass Triffin die Fesseln lösen konnte.
»Sofort.« Triffin zog sein Messer. »In ganz Baha-Uddin haben nur König Azenor selbst und seine Söhne diese eisblauen Augen.«
»Sein Sohn«, korrigierte Kavan.
Triffin sagte nichts.
»Du hast mich niedergeschlagen«, hob Kavan schließlich ohne Groll und ohne auch nur die Spur eines Vorwurfs in der Stimme an, während Triffin ihm die Fesseln löste.
»Es musste sein.«
»Ich weiß.« Prinz Kavan rieb sich die geröteten Handgelenke und schaute den General an. »Ich hätte tot sein können.«
»Es war eine militärische Entscheidung, keine persönliche.« Triffin war noch immer fest davon überzeugt, das Richtige getan zu haben, und nicht bereit, sich zu entschuldigen. »Ein Leben für Hunderte.«
»Auch wenn es das Leben eines Thronfolgers ist?«
»Auch dann.«
»Ich wusste schon immer, dass du sehr mutig bist.« Prinz Kavan lächelte. »Dafür habe ich dich bewundert, seit ich ein kleiner Junge war.«
»Das war vielleicht ein Fehler.«
»Nein.« Kavan schüttelte den Kopf. »Baha-Uddin braucht Männer wie dich. Ich habe mir immer gewünscht, einmal wie du zu sein. Aber Vater …« Er verstummte kurz und sagte dann: »Ich werde dich nicht verraten.«
»Es ist kein Verrat, die Wahrheit zu sagen«, erwiderte Triffin gelassen. »Ich könnte es dir nicht verdenken.«
»Nein.« Kavan schüttelte den Kopf. »Du hast den Mut gehabt zu tun, was ich längst hätte tun müssen. Aber die Furcht vor meinem Vater war zu groß. Ich hätte es niemals gewagt, den Befehl zum Rückzug zu geben.«
»Es freut mich, dass du das so siehst.« Triffins Erleichterung war echt. So viel Einsicht hatte er von dem jungen Prinzen nicht erwartet. Kavan war gewachsen, nicht körperlich, die Verfassung des Prinzen war eher schlecht, aber im Geiste, ganz so, als hätten ihm die Monate bei den Rakschun eine andere Sicht der Dinge ermöglicht. »Dann hegst du keinen Groll gegen mich?«
»Groll? Nein!« Kavan schüttelte den Kopf. »Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass in alledem, was geschehen ist, ein tieferer Sinn liegt und wenn sich dieser mir bisher auch noch nicht erschlossen hat, so hat die Zeit bei den Rakschun mir immerhin Erfahrungen und Einsichten vermittelt, die ich nicht missen möchte.«
»Du bist zum Mann geworden«, bemerkte Triffin anerkennend und beendete das Thema, indem er sagte: »Ich werde dir ein Bad richten lassen, etwas zu essen besorgen und dir den Bartscherer schicken. Vielleicht gelingt es mir auch, passende Kleidung für dich aufzutreiben. Es wird höchste Zeit, aus dir wieder Prinz Kavan zu machen.«
»Wann willst du es bekanntgeben?«, fragte Kavan.
»Nun, ich denke, noch nicht so bald.« General Triffin grinste. »Dein Vater wird am Abend hier im Lager eintreffen. Ich würde ihm ungern die Überraschung verderben.«
»Mein Vater kommt?« Für einen Augenblick verlor Prinz Kavans Gesicht alle Farbe, ein Zeichen dafür, dass die alte Furcht wieder aufflammte. Dann aber straffte er sich und sagte: »Auch gut. Dann habe ich es hinter mir.«
Triffin legte ihm die Hand auf die Schulter und nickte ihm anerkennend zu. »Du bist wahrlich zum Mann geworden«, wiederholte er noch einmal und wandte sich zum Gehen.
»Triffin, warte!«
»Was gibt es noch?«
»Ich habe gehört, dass die Krieger morgen aufbrechen wollen, um das Lager der Rakschun in der Steppe zu überfallen, die Zelte zu plündern und sich die
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