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Kristall der Macht

Kristall der Macht

Titel: Kristall der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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machtvolle Stimme blieb nicht ohne Wirkung, und es wurde deutlich ruhiger. »Wer seid ihr, dass ihr euch erdreistet, in dieser respektlosen Weise über die Maor-Say zu richten?«, fuhr Jamak herausfordernd fort und fügte sogleich hinzu: »Wer seid ihr, dass ihr es wagt, sie auf übelste Weise zu verleumden?«
    »Sie hat den Bann des Luantar gebrochen!«
    »Sie ist schuld, dass meine Familie tot ist!«
    »Sie hat versagt!«
    Überall wurden Stimmen laut, die bittere Vorwürfe erhoben, aber auch darauf war Jamak vorbereitet. »Das ist nicht wahr!«, rief er so laut und nachdrücklich, dass die Rufe abrupt verstummten. Den wenigen Worten ließ er eine wohl bemessene Pause folgen und fuhr dann fort: »Der Dämon ist nicht erwacht. Er ruht wie schon seit Generationen oben auf dem Berg.«
    »Lüge! Das ist eine Lüge«, keifte eine Frau. »Ich habe den Luantar gesehen. Ich sah die Menschen in seinem Atem sterben. Ich …«
    »Du hast den Dämon gesehen?«, fragte Jamak lauernd. »Dann sage mir: Wie sah er aus, der Dämon?«
    »Nun ja … also …« Die Frau wich Jamaks forschendem Blick aus. »So genau kann ich es nun auch wieder nicht sagen. Er flog ja im Schatten des Giftatems, den er vor sich herblies, über das Meer.«
    »Dann hast du also nur seinen Atem über das Meer kommen sehen?«, hakte Jamak nach.
    »Ja schon, er war ja noch so weit weg und ich habe am Strand -Muscheln gesammelt. Als der Atem kam, bin ich um mein Leben gelaufen. Immer den Berg hinauf.«
    »Da hört ihr es«, triumphierte Jamak. »Sie hat den Dämon nicht gesehen. Aber nicht, weil er zu weit entfernt war, sondern weil es gar keinen Dämon gab, der unsere Insel angegriffen hat. Es ist, wie ich gesagt habe: Der Luantar ruht noch immer oben auf dem Berg – als ein Hügel aus Stein.«
    »Das glaube ich erst, wenn ich es gesehen habe!«, rief ein junger Bursche in zerschlissener Kleidung.
    »Wer es nicht glauben kann, der mag hinaufgehen und sich selbst davon überzeugen, dass ich die Wahrheit sage.« Jamak trat einen Schritt zur Seite und deutete auf den Pfad, der zum Dämonenfelsen hinaufführte. »Am besten, ihr wählt einige von euch aus, die hinaufgehen und nachsehen.«
    Kaum hatte er das gesagt, erhob sich ein vielstimmiges Gemurmel gleich einem summenden Bienenschwarm über dem Platz. Es dauerte nicht lange, da traten drei Frauen und vier Männer vor. »Wir werden gehen«, sagte einer.
    »Nun denn.« Jamak gab den Weg frei. »Geht hinauf und berichtet allen hier, was ihr gesehen habt.«
     
    *  *  *
    »Nun, wo ist dein Mut jetzt, Menschenfrau? Wo?« Die Stimme des Luantar dröhnte über den Platz. Als eine Geisterscheinung hatte sich die finstere Gestalt aus dem Felsen gelöst und zu voller Größe von fast sechs Schritt aufgerichtet. Der behaarte Leib thronte auf zwei stämmigen angewinkelten Beinen, die in langen, mit dicken dreizehigen Klauen besetzten Füßen endeten. Der wuchtige Schädel ähnelte dem eines Stiers mit langen, nach unten gebogenen Hörnern an beiden Schläfen und einer flachen Schnauze. Die Arme waren fast so muskulös wie die Beine; die Hände sahen wie riesige Klauen aus, während zwischen den Schulterblättern zwei mächtige, mit spitzen Dornen bewehrte Schwingen hervorwuchsen, deren Spannweite doppelt so groß war wie der Körper selbst. Wäre sie noch am Leben gewesen, hätte der Anblick Kaori zu Tode erschreckt, und auch jetzt genügte er, um sie ein paar Schritte zurückweichen zu lassen.
    »Angst?« Der Dämon neigte das gehörnte Haupt etwas zur Seite und ließ eine weiße Dampfwolke aus den schwarzen Nüstern entweichen. Kaori antwortete nicht. Unfähig, ein Wort zu sagen, starrte sie den Dämon an. »Angst?« Der Dämon beugte sich nun so weit herunter, dass sein albtraumhaftes Antlitz mit Kaori auf Augenhöhe war. »Wo ist dein Mut, Menschenfrau?«, fragte er noch einmal, und diesmal schwang etwas Lauerndes in seiner Stimme mit.
    »Du … du bist der Luantar«, sagte Kaori mit dünner Stimme.
    »Gut erkannt.« Der Dämon richtete sich auf und breitete die Schwingen aus.
    »Aber du bist tot.«
    »Tot?« Der Kopf des Dämons schoss so ruckartig heran, dass Kaori erschrocken zurücktaumelte. »O nein! Ich bin nicht tot«, fauchte er, richtete sich zu voller Größe auf und brüllte mit urgewaltiger Stimme: »Niemand tötet einen Dämon! Dämonen sind unsterblich.« Kaum hatte er das gesagt, beugte er sich wieder zu Kaori hinab und fragte: »Was bin ich?«
    »Ich … ich verstehe nicht.« Kaori fühlte sich,

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