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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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undeutlich ihre besondere Beziehung zu dieser Frau in einer Familie, der Begriffe wie Verwandtschaft fremd waren.
    Bald waren sie allein in der endlosen Savanne, lediglich Geier kreisten über ihnen. Die Große schleppte Alte Mutter in den Schutz der Bäume, wo sie sie an einen dicken Stamm lehnte. Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Mit Einbruch der Nacht würden sich Raubtiere an die hilflosen beiden Frauen heranmachen. Die Große schichtete trockenes Laub auf, hockte sich vor das Häufchen und fing an, zwei Steine aneinander zu schlagen. Unendliche Geduld und Ausdauer waren dazu nötig, und bald spürte sie die Schmerzen in Rücken und Schultern. Aber wenn Feuermacherin es so oft geschafft hatte, würde sie, die Große, es ebenfalls schaffen. Immer wieder, während sich der Himmel verdunkelte und Sterne durch den vulkanischen Rauch blinzelten, schlug die Große die beiden Steine aneinander, bis endlich eine kleine Flamme aufflackerte. Sie pustete behutsam, hielt trockenes Laub in die Flamme, fügte dürre Reiser und Gräser hinzu.
    Dann umgab die Große die Feuerstelle mit Steinen und legte Zweige darüber, und bald darauf verbreitete das Licht der Flammen das wohlige Gefühl, die Nacht über vor Unheil bewahrt zu sein.
    Die weiterhin bewusstlose Alte Mutter atmete schwer. Ihre Augen waren geschlossen, das Gesicht schmerzverzerrt. Die Große wich nicht von ihrer Seite. Mit dem Tod war sie vertraut. Er ereilte die Tiere in der Savanne und in Abständen auch ein Familienmitglied. Dann ließ man den Toten zurück, sprach vielleicht noch eine Weile von ihm, und dann war er vergessen. Dass sie selbst einmal sterben könnte, war für die Große etwas Undenkbares. Nach einer Weile wurde ihr klar, dass Alte Mutter Wasser brauchte. Fast mannshohe Blumen mit gefleckten, glockenförmigen Blüten und weich behaarten Blättern, die unweit wuchsen, deuteten darauf hin, dass es hier Wasser geben musste. Dementsprechend wühlte die Große in der Erde nach Feuchtigkeit. In der Nähe war das Kläffen von Hyänen zu hören, das Rascheln ihrer Körper in den Büschen.
    Die Nackenhaare der Großen sträubten sich. Sie hatte erlebt, wie Hyänen über einen Menschen hergefallen waren, ihn bei lebendigem Leib und während er noch schrie verschlungen hatten. Einzig das Feuer hielt die Tiere zurück; sie musste also schleunigst dafür sorgen, dass es nicht niederbrannte.
    Verzweifelt scharrte sie in der Erde herum. Es musste hier Wasser geben, wenn Blumen von dieser Größe und mit derart fleischigen Stängeln wuchsen! Sie wühlte so lange in der harten Erde herum, bis ihre Hände bluteten.
    Niedergeschlagen hielt sie inne, erschöpft und zum Umfallen müde. Aber sie musste unbedingt Wasser finden und sich um das Feuer kümmern. Sie musste Alte Mutter vor den in der Dunkelheit lauernden Raubtieren beschützen.
    Und dann sah sie, wie es im Mondlicht aufblitzte. Wasser! Klar und blau, zu Füßen einer der Blumen. Als sie die Hand danach ausstreckte, stellte sie jedoch fest, dass das Wasser fest war und keineswegs eine kleine Pfütze. Sie griff danach und starrte verwundert auf den blauen Wasserstein, an dem Blätter des Fingerhuts klebten. Wie konnte Wasser fest sein? Dennoch musste es Wasser sein, denn es war durchsichtig und glatt und sah aus, als würde es gleich flüssig werden. Sie trug den Stein – der von einem vor drei Millionen Jahren niedergegangenen Meteoriten stammte –
    zu Alter Mutter und schob ihn ihr behutsam zwischen die ausgedörrten Lippen. Sofort fing Alte Mutter an, daran herumzulutschen, und anhand des Speichels, der in ihren Mundwinkeln erschien, wusste die Große, dass das Wasser wieder flüssig geworden war. Als jedoch gleich darauf der Kristall den Lippen von Alter Mutter entglitt und die Große ihn auffing, sah sie, dass das Wasser weiterhin fest war. Dafür konnte sie den Stein jetzt genauer betrachten, weil die Zunge der Alten die Pflanzenreste abgeleckt hatte.
    Wie ein Ei ins Nest schmiegte sich der Kristall an die Handfläche, war auch so glatt wie ein Ei. Aber auf seiner Oberfläche spiegelte sich das Mondlicht wie in einem See oder in einem Fluss.
    Als die Große den Stein hochhielt, sah sie, dass sein Inneres ein dunkleres Blau aufwies, und noch tiefer erkannte sie etwas Weißes, Spitzes, Funkelndes.
    Ein Aufseufzen von Alter Mutter lenkte sie von dem Kristall ab.
    Verwundert stellte sie fest, dass die Lippen der Alten nicht länger blau, sondern wieder rosa waren und dass ihr das Atmen leichter

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