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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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erstaunlicher aber war ein Vorfall im Jahre 964, als Bischof Ethelwold die verheirateten Priester der Kathedrale von Winchester vor die Wahl stellte, ihre Frauen oder ihre Priesterämter zu behalten, und sie entschieden sich allesamt für ihre Frauen. Für Edman war Ehelosigkeit nie ein Problem gewesen, denn er hatte nie das Verlangen gespürt, sich körperlich mit einer Frau einzulassen. Es war für ihn gänzlich unbegreiflich, warum ein von Vernunft und Verstand geprägter Mann auch nur den Wunsch dazu verspüren konnte. Edman, der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen war, nur vage Erinnerungen an seine Mutter hatte und nach dem Tod seines Vaters, Fischer von Beruf, als Waisenkind aufwuchs, hatte dank seiner Intelligenz und seiner Schläue in der Hafenstadt überlebt und sich als Arbeitstier von Bäuerinnen und Fischweibern ausnutzen lassen. Er hatte mehr Ohrfeigen und Kopfnüsse bekommen, als er zählen konnte, und daraus gelernt, dass Frauen Begriffe wie Leidenschaft und Zärtlichkeit fremd waren. Nur die Güte eines örtlichen Priesters, der ihm Lesen und Schreiben beibrachte, hatte Edman vor einem Leben voller Erniedrigung und tiefster Verzweiflung bewahrt. Nach Empfang der heiligen Weihen hatte er mit Ehrgeiz, rascher Auffassungsgabe und dem Talent, sich die richtigen Freunde auszusuchen, die klerikale Leiter erklommen und stand nun einer berühmten Abtei und einem wohlhabenden, für seine Schreiber gerühmten Benediktinerorden vor. Schon deswegen ärgerten ihn die Pflichtbesuche in der Priorei St. Amelia. Diese Pflicht hätte auch ein Untergebener absolvieren können, und Edman hatte in der Tat einen seiner Priesteranwärter ins Kloster geschickt, um ein illuminiertes Manuskript abzuholen. Mutter Winifred war jedoch dermaßen gekränkt gewesen, dass sie behauptete, das Manuskript sei noch nicht fertig, und gab damit klar zu verstehen, dass es auch erst fertig sein würde, wenn der Abt es selbst abholte.
    Dieses Geschöpf war auf eine wahrlich merkwürdige Art gehorsam und herausfordernd zugleich. In bestimmten Dingen aber blieb Edman hart – zum Beispiel was ihre Bitte, ein Altarbild zu malen, anbelangte –, und darin fügte sie sich auch seinen Anordnungen.

    Gott sei Dank, denn der Abt konnte ihr einfach nicht die Zeit gewähren, die sie für die heilige Amelia aufwenden würde, war doch ihr Talent für die wachsende Nachfrage an Illuminierungen gefragt.
    Bei aller Abneigung gegen den Besuch des Klosters musste Edman allerdings zugeben, dass Orte dieser Art doch auch einem nützlichen Zwecke dienten. Gar manch eine unerwünschte Frau wurde in ein Kloster abgeschoben, um ihr Leben respektabel, in Sicherheit und ohne Belästigung durch Männer zu verbringen. Und dann gab es noch weibliche Wesen, die die Gesellschaft ihres eigenen Geschlechtes bevorzugten, Frauen, die dagegen rebellierten, einem Mann gehorsam zu sein, Frauen, die sich Männern gegenüber als gleichberechtigt oder sogar überlegen sahen, Frauen mit der merkwürdigen Auffassung, für sich selbst denken zu können. Die Klöster erfüllten somit für Männer und Frauen gleichermaßen ihren Zweck. Wenn diese Geschöpfe doch nur nicht so fanatisch in Sachen Sauberkeit wären, räsonierte der Abt weiter. Der Geruch ehrlichen Schweißes hatte noch keinem geschadet, doch Winifred und ihr Klüngel rochen, wie alle hochgeborenen Damen, stets nach Lavendel und Gänsefingerkraut und Kräutern, die sie auf ihre Matratzen streuten, um Flöhe fern zu halten.
    »Wie war Euer Besuch in Canterbury, Vater Abt?«, erkundigte sich Oberin Winifred, keineswegs aus echtem Interesse und auf eine knappe Antwort hoffend. Ein Blick auf seinen prallen Rucksack sagte ihr, das er viel Arbeit für ihre Schwestern mitgebracht hatte, was wiederum bedeutete, dass sie sich darum kümmern musste, frische Pigmente herzustellen.
    Edman musste so angestrengt überlegen, dass er die Augen zusammenkniff. In der Kathedrale von Canterbury war er Zeuge eines sonderbaren Schauspiels gewesen – einem so genannten
    »Stück«, in dem Männer in Kostümen auftraten und eine Geschichte darstellten. Als ein als Teufel verkleideter Mönch auf der Bühne erschien, hatte sich die Gemeinde teils aus Furcht, teils aus Wut auf den Mann gestürzt und ihn beinahe umgebracht. Es hieß, dass solche Aufführungen dem Volk biblische Geschichten näher brächten, doch der Abt hatte seine Zweifel. Wenn die Leute sich einfach eine Geschichte anschauten, würden sie dann nicht aufhören, den Predigten

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