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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Reparaturen für das Dach geben. Sie und ihre Schwestern würden einen weiteren Winter mit Eimern, Pfannen und durchweichten Betten überstehen müssen.
    Vielleicht sollte sie diesen traurigen Besuch zu ihrem Vorteil wenden. Wenn der Abt schon so enttäuschende Nachrichten überbrachte, könnte er ihr doch nicht auch noch zu allem Elend ihre Bitte, das Altarbild zu malen, abschlagen. Sie würde an das letzte bisschen Großzügigkeit appellieren, das sich in seinem Herzen verbarg.
    Winifred glaubte buchstäblich jedes Wort, das in der Bibel stand, nahm sich dabei aber das Recht zur Interpretation heraus. Sie war zwar davon überzeugt, dass Gott Männer zuerst geschaffen hatte, glaubte aber nicht, dass er sie klüger geschaffen hatte. Gleichwohl hatte sie ihr Gehorsamkeitsgelübde abgelegt und war somit auch dem Abt zu Gehorsam verpflichtet – aber in dem von ihr gesteckten Rahmen. Wenn er ihr kein neues Dach gewähren konnte, musste er seine Einwilligung zum Altarbild geben. Das war das Mindeste, was ihr zustand. Mit fast sechzig Jahren war Winifred eine der ältesten Frauen, die sie kannte, und in der Tat älter als die meisten ihr bekannten Männer – zweifellos älter als Ehrwürden hier –, und sie fand, dass ihr allein schon aus diesem Grund Sonderrechte zustanden.
    Im Kapitelsaal, einer zugigen Halle mit geradlehnigen Stühlen und einem riesigen verrußten Kamin als Mittelpunkt, fragte Winifred den Geistlichen, ob er ihr Weidenrindentee mitgebracht habe. »Es ist nicht das erste Mal, Vater Abt, dass ich diese Bitte vorbringe.«
    Während er seine Körperfülle in den einzigen bequemen Sessel wuchtete, fragte sich der Abt, ob Winifred ihren Nonnenschleier zu fest gebunden hatte oder ob ihr Gesicht auf natürliche Art so spitz aussah. Ein kurzer Blick auf ihre Hände und die schwarzblauen Flecken sagte ihm, dass sie den Morgen mit dem Sammeln von Färberwurzel verbracht hatte. Der Busch mit den ausladenden Blättern, der das Rohmaterial für einen blauen Farbstoff enthielt, war ein hervorragender Ersatz für den importierten indischen Indigo, den die Nonnen für ihre Pigmente verwendeten, der aber selten und teuer war. »Ihr dürft nicht an Euer Behagen denken, Mutter Oberin«, tadelte er sanft.
    Ihr Mund verzog sich zu einem geraden Strich. »Ich dachte da eher an die Arthritis von Schwester Agatha. Die Schmerzen sind manchmal so schlimm, dass sie kaum einen Pinsel zu halten vermag.
    Wenn meine Schwestern nicht malen können«, schloss sie und ließ die Drohung unvollendet in der Luft hängen.
    »Nun denn. Ich werde Weidenrindentee schicken, sobald ich wieder in der Abtei bin.«
    »Und Fleisch. Meine Schwestern müssen essen. Sie brauchen Kraft für ihre Arbeit«, merkte Winifred anzüglich an. Der Abt sah finster drein. Er wusste, was sie im Schilde führte. Winifred wusste mit viel Geschick ihre Illuminierungen als Vorwand für leibliches Wohl und leibliche Genüsse einzusetzen. Dennoch waren ihm die Hände gebunden. Die Nachfrage nach den Illuminierungen wuchs, wobei er sich sehr bemühte, Winifred darüber in Unkenntnis zu lassen.
    Man würde Ehrwürden Edman nicht gerecht, wollte man behaupten, er hasse Frauen. Er sah schlichtweg keinen Sinn und Zweck für ihre Existenz und fragte sich immer wieder, warum Gott in Seiner unendlichen Weisheit ein so diffiziles Geschöpf für die Erzeugung Seiner Kinder geschaffen hatte (Edman war nämlich überzeugt, dass Männer und Frauen niemals, bis in alle Ewigkeit, lernen würden, miteinander auszukommen). Wären keine Frauen mit im Spiel gewesen, so wäre Adam im Garten Eden geblieben, und alle Männer würden nun im Paradies leben. Leider war England kein Paradies, und dieses Kloster fiel unter seinen Zuständigkeitsbereich als Abt von Portminster – mithin oblag es ihm, dem Kloster und den Klosterfrauen regelmäßige Besuche abzustatten. Er hielt sich jedoch nie lange auf, versuchte das Geschäftliche hinter sich zu bringen und so schnell wieder abzureisen, wie es die Höflichkeit erlaubte.
    Während er versuchte, sich in dieser durch und durch weiblich geprägten Atmosphäre zu entspannen – warum nur hatten Frauen so eine frivole Leidenschaft für Blumen –, dachte er an seine Ordensbrüder, die Schwierigkeiten mit der Einhaltung des Zölibatsgelübdes hatten. Edman selbst hielt sich strikt daran, obwohl von ihm als Ordenspriester nicht verlangt wurde, im Zölibat zu leben. Die meisten Priester waren verheiratet, etwas für ihn Unverständliches. Noch

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